Ist der Herr Loos vielleicht zufällig im Haus? Fast möchte man diese Frage stellen, wenn man im Hotel Looshaus am Kreuzberg im niederösterreichischen Payerbach eincheckt. Denn irgendwie fühlt sich dieses Haus so an, als ob sein weltberühmter Architekt es erst vor wenigen Minuten verlassen hätten…
Dass mir dieses Haus gefallen würde, da war ich mir sicher – lange bevor ich es im Februar 2020 das erste Mal betrat. Freunde hatten mir davon vorgeschwärmt und sich gewundert, dass ich tatsächlich noch nicht dort gewesen war. Das ist doch genau deins, sagten meine Freunde – ein altes Haus, Architektur, die dich begeistern wird, die Lage, das gute Essen, fahr hin, jetzt! Das haben wir dann getan, waren begeistert und doch hat es nun über ein Jahr gedauert, dass ich diesen Beitrag dazu verfasst habe. Warum? Das weiß ich selbst nicht so recht. Anfangs wusste ich nicht, wie ich all diese Eindrücke, die so intensiv, so besonders waren, in Worte fassen sollte. Denn dieses Haus zog mich vom ersten Augenblick an in seinen Bann. Und machte mich damit irgendwie auch sprachlos. Und dann tauchte außerdem ganz plötzlich das Corona-Virus auf und verbannte uns alle in unsere eigenen vier Wände. Und plötzlich schien mir dieses Wochenende am Kreuzberg auch noch so irreal: War ich tatsächlich noch vor kurzem an diesem wunderbaren Ort und habe dort so ein großartiges Wochenende verbracht? Ich konnte es irgendwie selbst kaum glauben. Und noch weniger zu "Papier" bringen...
Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und eines steht für mich auch fest: Wenn dieser Lockdown ein Ende hat und es wieder möglich ist zu verreisen, wird das Looshaus einer jener Orte sein, die ich so schnell wie möglich wieder besuchen will…
Aber erst mal zurück zum Februar 2020: Es war ungewöhnlich warm an diesem Februar-Wochenende, 16 Grad, Sonne, blauer Himmel. Februar? Wirklich? Bei der Anfahrt zum Looshaus hatten wir uns kräftig verfahren. Vertraue nie zu sehr deinem Auto-Navi, es könnte dich in einem steilen Sackgassen-Ziehweg im Nowhere landen lassen… Aber dann haben wir es doch geschafft und im Nachhinein besehen, lautet meine Empfehlung zur Anreise wie folgt: Am besten vom Schloss Gloggnitz via Hollgraben (und nicht über Payerbach) Richtung Kreuzberg fahren, die Straße windet sich malerisch den Berg hinauf, mäandert dann gemächlich dahin, mit wunderbarem Ausblick auf die Bergspitzen von Rax und Schneeberg – bis man schließlich mit ein wenig Schwung den Hügel hinauf zum Hotel Looshaus nimmt.
Hier liegt es also, in perfekter Lage, wenn man den Panoramablick auf die Rax-Schneeberg-Gruppe auf sich wirken lässt. Ein bisschen hat es Skihütten-Atmosphäre, wenn man das von Architekt Adolf Loos entworfene Looshaus betritt: Der kleine, grün gestrichene Eingangsbereich mit niederen Decken, die Vertäfelung, die lange gemütliche Sitzbank an der Wand, die Haken für die Jacken darüber. Fast sieht man die Skischuhe unter der Bank vor seinem geistigen Auge. Von hier geht es dann über eine enge Treppe hinauf, Richtung Zimmer – und am Weg dorthin das erste Aha-Erlebnis: Denn plötzlich befindet man sich auf einer Galerie oberhalb des Speisesaals und das muss man erst mal auf sich wirken lassen. Vermutlich sagen hier Bilder mehr als Worte, ich jedenfalls freue mich in der Sekunde darauf hier, in dieser ganz speziellen architektonischen und historischen Atmosphäre, abends zu sitzen und das Abendessen zu genießen.
Loos`sche Schlichtheit mit viel Ausblick
Seitlich an der Galerie geht es ab in die Zimmer im ersten Stock, unser Zimmer liegt aber ein Stockwerk höher, wir schieben uns wieder über eine schmale Treppe aufwärts, Achtung, Kopf einziehen. Für einen ganz kurzen Moment bin ich dann ein klein wenig enttäuscht: Unser Zimmer ist – gemessen an der Architektur und dem Design dieses Hauses – nichts Besonderes. Klein, ein Doppelbett, zweckmäßig mit hellem Holz eingerichtet, und, dann doch nicht so normal, eine Badewanne parallel zum Bett. Die Gemeinschafts-Toilette befindet sich am Gang. Dass wir in diesem, nicht Loos-authentischen Zimmer landen, ist meiner Last-Minute-Reservierung geschuldet: Wir sind froh überhaupt noch ein Zimmer bekommen zu haben, das Looshaus ist geschätzt und beliebt.
Wo ich beim nächsten Mal schlafen möchte, das weiß ich dann am nächsten Tag: Da darf ich mir andere Zimmer ansehen, nachdem deren Bewohner abgereist sind. Mein Favorit: Das Zimmer, das am Ende der linken Seite der Galerie liegt und in dem man wohl besonders gut in diesem gemütlichen Alkovenbett schläft. Darüber hinaus hat es mir die türkise Farbgebung angetan. Die Loos`sche Schlichtheit gibt auch hier den Ton an, die Einbaumöbel sind zweckmäßig, aber vor allem gut durchdacht. Und wenn es beim nächsten Mal nicht dieses Zimmer wird, dann doch bitte das ganz vorne gelegene Zimmer am Ende der anderen Seite der Galerie, nicht nur der berückend schöne Blick auf Rax und Schneeberg überzeugt mich hier.
Und jetzt braucht es vermutlich doch einen kurzen Exkurs zurück in die Geschichte dieses Hauses (obwohl man natürlich alles auf der Looshaus-Website oder in anderen Publikationen im Internet nachlesen kann): 1930 wurde das als Landhaus konzipierte Haus des Wiener Industriellen Paul Khuner fertiggestellt und ist damit ein Spätwerk von Architekt Adolf Loos, der heute ob seiner Bauweise und seines Architekturstils weltberühmt ist. „Baue nicht malerisch. Überlasse solche Wirkung den Mauern, den Bergen und der Sonne“, soll Adolf Loos einst gesagt haben und ja, das hat er hier wohl perfekt umgesetzt. Nach dem Tod des Besitzers diente das Haus als Gästehaus unterschiedlicher Unternehmen und wurde erst wieder von der Großmutter der heutigen Besitzer 1959 aus seinem Dornröschenschlaf geholt. Erst Jahrzehnte später wurden sich deren Nachfahren bewusst, was für ein Architektur-Juwel dieses Haus eigentlich ist. Und so wurde von den Geschwistern Hanna Sehn und Norbert Steiner, die Hotel und Restaurant heute führen, so renoviert und modernisiert, dass der originale, von Adolf Loos geplante Zustand des Hauses so gut wie möglich erhalten blieb. Dabei wurden einige Veränderungen aus den 70er- und 80er Jahren zurückgenommen, u. a. wurden die 70 Jahre alten, originalen Parkettböden wieder freigelegt. Und so einiges, was im Keller vor sich hin schlummerte, wurde heraufgeholt und aufwändig instandgesetzt – darunter etwa die abmontierten, nostalgischen Armaturen von 1930. Besonders schön finde ich, dass auch zwei Badezimmer komplett authentisch restauriert wurden: Hier kamen nicht nur die originalen Armaturen wieder zum Einsatz, sondern auch die originalen Milchglasplatten anstelle von Fliesen. Was Architekt Loos wohl dazu sagen würde, wenn er es sähe? Er wäre vermutlich zufrieden …
Und schmecken würde es ihm hier vermutlich auch. Abends sitzen wir dann im Speisesaal, hinter dem großen, zweistöckigen und bis zur Decke reichenden Panorama-Fenster ahnen wir nur mehr in der blau-schwarzen Dunkelheit da draußen die gegenüberliegenden Bergspitzen von Rax und Schneeberg. Drei Gänge genießen wir, bodenständige Klassiker mit regionalem Bezug, die jedoch raffiniert und mit viel Liebe für die Produktherkunft auf den Tisch kommen. Küchenchefin Hanna Sehn setzt dabei stark auf lokale Produkte und beim Wild weiß sie sich bei ihrem Mann, der Jäger ist, in den besten Händen. Wirt Norbert Steiner empfiehlt uns den passenden Wein dazu. Gemütlich ist es in dem großzügig geschnittenen Restaurantbereich mit der hohen Decke, kein Chi-chi ist hier angesagt, manche der Hausgäste sitzen mit ihren Filzpatschen am Tisch. Bunt gemischt ist die Gästeschar, aber eines haben wir hier – so kommt es mir vor – alle gemeinsam: Die Begeisterung für diesen ganz speziellen Ort, der so unverwechselbar und einzigartig scheint, und für diese ganz besonders Atmosphäre, die so schwer in Worte zu fassen ist. Die man vermutlich am besten selbst erlebt, in diesem gemütlichen Haus, umgeben von Wäldern, mitten in den Wiener Alpen…Wo ich das nächste Mal schlafen will, weiß ich ja bereits, wo ich das nächste Mal essen will, auch. Nämlich im kleinen, intimen Bibliothekszimmer, das mich auch mit seiner ganz eigenen Stimmung gefangen genommen hat.
Frühmorgens habe ich mich dann am nächsten Tag hinausgeschlichen, vor das Haus, und etwas fröstelnd Rax und Schneeberg beim Aufwachen zugeschaut, erste Reihe fußfrei sozusagen. Hallo Berge, euch habe ich von hier aus nicht zum letzten Mal gesehen...
Auch noch gut zu wissen: Sportbegeisterten wird hier nicht langweilig, die Gegend lädt zu ausgedehnten Wanderungen in der Umgebung und rund um Payerbach wie auch zu hochalpinen Touren auf Rax und Schneeberg ein. Angeboten werden auch geführte Moutainbiketouren. Bekannt und beliebt sind z. B. die Reichenauer Sommer-Festspiele. Und wer im Winter gerne die Bretteln anschnallt, findet im Looshaus ebenfalls eine gemütliche Homebase.
Hotel Looshaus am Kreuzberg
www.looshaus.at
Kreuzberg 60 I 2650 Payerbach I Österreich
E-Mail: steiner@looshaus.at
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