Zeit für ein Geständnis: Ich war 2023 zum allerersten Mal im tschechischen Brünn.
Und das, obwohl Brünn und Wien gerade mal eine 2-Stunden-Bahnfahrt bzw. 140 Autokilometer trennen.
Nun, da es endlich so weit war, wollte ich es aber richtig machen – und das wiederum bedeutet: Unbedingt die berühmte Ludwig Mies van der Rohe-Villa Tugendhat besichtigen und passend dazu stilecht in einem Architekturjuwel
übernachten – nämlich dem Hotel AVION, ein Paradebeispiel der stark von Bauhaus und Funktionalismus
geprägten Brünner Avantgardearchitektur.
Und dann stehen wir auch schon vor dem Hotel AVION: Nur acht Meter breit, dafür acht Stockwerke hoch. Architekt Bohuslav Fuchs ist hier 1928 eines der schmalsten Hotels Europas und damit – trotz knappen Budgets und Errichtungszeitraums – ein Meisterwerk gelungen: Auf einer Grundfläche von nur 8x34 Metern hat er Raum für ein Cafè auf zwei Etagen sowie (damals) 50 Hotelzimmer geschaffen – und das inspiriert vom Funktionalismus der Bauhaus-Bewegung. Ein Architekturjuwel, das nun stolz mitten im Zentrum Brünns stand.
Keine Überraschung also, dass das Hotel bereits in den 1960er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde – auch, um es vor dem Abriss zu bewahren. Was es allerdings nicht vor dem langsamen Verfall rettete: 1948 wurde es verstaatlicht, bis in die 90er Jahre blieb der Hotelbetrieb aufrecht – dann setzte jedoch aufgrund unterschiedlichster Entwicklungen langsam der Verfall ein. Schließlich wurde das Hotel aber doch noch aus seinem Dornröschenschlaf geholt: Nach einer langen und sorgfältigen Restaurierungsphase wurde das Avion im Mai 2022 schließlich als Design-Hotel wieder eröffnet.
Ich jedenfalls mag es auf Anhieb, das AVION – schon als wir in der geschäftigen, vorweihnachtlichen Innenstadt-Fußgängerzone davor stehen. Was für eine Fassade: Große Fenster, eine helle Verkleidung aus Keramik und weißem, halbtransparentem Opalglas. Über dem Hoteleingang das Avion-Hotel-Logo, das dem tschechoslowakischen Maler und Grafikdesigner Emanuel Hrbek mehr als gelungen ist: Denn so retro es auf den ersten Blick erscheint, so heutig und modern wirkt es irgendwie dennoch.
Heute befindet sich im Erdgeschoss ein italienisches Bistrot (in dem übrigens auch das Hotelfrühstück stattfindet). Das ehemalige Cafè im ersten und zweiten Stockwerk ist nun ein kleines Museum, das viel Wissenswertes rund um die Funktionalismus-Architektur und die klassische Moderne in Brünn erzählt. Und davon gibt es in Brünn einiges: An die 100 Originale der klassischen Moderne stehen in der 380.000 Einwohner:innen-Stadt, ein durchaus lohnendes Ziel für Architektur-Fans also.
Mit dem Lift geht es hinauf in unser im 7. Stock gelegenes Zimmer: Und ja, hier atmet alles Bauhaus-Feeling – dank der Freischwinger-Sessel, der Farben von Wänden, Nachttischen und Polstern (schwarz/weiß kombiniert mit den Primärfarben Gelb/Blau/Rot), der Lese- und Decken-Lampen, der weißen, geprägten Fliesen im durch Glasscheiben abgeteilten kleinen Bad. Apropos, leider war zum Zeitpunkt unserer Buchung kein Zimmer mit Terrasse bzw. Balkon mehr verfügbar – sehr schade, denn diese bieten einen wirklich beeindruckenden Ausblick auf die Festung Špilberk, die St. Peter-und-Paul-Kathedrale auf dem Petrov-Hügel und die Stadt, wie wir dann auf der für alle Hotelgäste zugänglichen, über diesen Zimmern liegenden Dachterrasse feststellen. Beim nächsten Brünn-Besuch ist ein solches Zimmer für uns also ein Muss… (insgesamt verfügt das Hotel heute über 37 Zimmer).
Bauhaus pur dann auch auf den Gängen und im Treppenhaus (das man auf jeden Fall mal abgehen sollte): Rote oder knallgelbe Wände, blaue Teppich-Läufer. Form folgt Funktion, dieses Credo der Bauhaus-Architektur ist auch im AVION nicht zu übersehen: Nüchtern, schnörkellos, reduziert.
Wie radikal und vor allem stringent das neue Verständnis moderner Gestaltung zu dieser Zeit war, zeigen dann auch die heutigen Museums-Räumlichkeiten im ersten und zweiten Stock: Bauhaus-Funktionalismus at its best bekommt man hier zu sehen. Für Hotelgäste ist das Museum übrigens gratis zu besuchen, Nicht-Hotelgäste können es immer wieder mal im Rahmen von Führungen besichtigen. Ein Besuch ist jedenfalls lohnenswert!
Abends, nach einem richtig guten Dinner im nahen Element Restaurant & Bar, fahre ich dann noch mal hinauf zur Hotelterrasse: Es hat ein wenig geschneit, die Dächer sind angezuckert, die Festung Špilberk leuchtet herüber. Ganz still es hier oben, obwohl die Stadt unter mir noch lange nicht ans schlafen gehen denkt. Hallo Brünn, sage ich ganz leise, schön, dich endlich kennengelernt zu haben…
Auch noch gut zu wissen: In den kleineren Zimmern (ohne Terrasse bzw. Balkon) ist der Sanitärbereich nur durch eine Glasscheibe und einen etwas knapp ausfallenden Vorhang vom Schlafbereich abgeteilt. Wem Privatsphäre bei der Körperpflege wichtig ist, der sollte dann eher ein größeres Zimmer mit separatem Badezimmer wählen. Zum Frühstück geht es ins italienische Bistrot im Erdgeschoss des Hotels, wo ein umfangreiches und vielfältiges Buffet auf die Hotelgäste wartet.
Die zentrale Lage im historischen Stadtkern an der Česká-Straße ist die perfekte Ausgangsbasis für Stadtbesichtigungen, auch zahlreiche Lokale und Bars sind bequem in wenigen Minuten zu erreichen. Radfahrer werden übrigens aus Platzgründen leider nicht beherbergt.
Gut essen in Brünn: Im Element Restaurant & Bar I Ein Must für Architektur-Begeisterte: Die Villa Tugendhat in Brünn
Hotel Avion
www.avion-hotel.cz
Česká 150/20 I 602 00 Brünn, Tschechien
E-Mail: reception@avion-hotel.cz