„Komm, lass uns nach Dänemark fahren, mit einem Stoß Bücher und drei Wochen lang
auf einer Veranda vor einem Häuschen am Meer sitzen und lesen“, sagte mein Mann.
Und die Idee schien verführerisch. Gut, lesen kann man überall, aber die Vorstellung dazwischen
stundenlang aufs Meer zu sehen, ein ruhiges, in breiten Wellen an Land gehendes Meer – das hatte etwas.
Und der Juli schien uns dafür perfekt geeignet zu sein.
Von Kopenhagen machen wir uns also mit einem Mietauto auf den Weg gen Nordwesten, nach Nord-West-Jütland. Und das erstreckt sich von der deutsch-dänischen Grenze bis zur Landspitze Grenen nördlich von Skagen. Aber zuerst überqueren wir von der Insel Seeland kommend (wo auch Kopenhagen liegt) den Großen Belt, die Meeresstraße zwischen Seeland und der Insel Fünen. Von dort geht es dann über den Kleinen Belt nach Jütland, nun befinden wir uns also wieder auf dänischem Festland. Mit gemütlichen 90 Stundenkilometern geht es dahin, für die rund 480 Kilometer lange Strecke brauchen wir an die sechs Stunden und genießen die Fahrt, bei der wir auch immer wieder einen hübschen Ausblick auf das Wasser haben...
Schließlich finden wir auch unser kleines Haus am Meer, in Nørlev bei Lønstrup an der dänischen Westküste: von außen sehr reduziert, eine kleine hölzerne Schuhschachtel, mit viel Glas, viel Aussicht, viel Sonnenuntergang. Nach unserem Urlaub hätte ich sie am liebsten eingepackt und mitgenommen. Was mich am meisten überrascht, ist der Duft, der das Haus umgibt: Wie auf einer Almwiese riecht es, nach Kräutern, Gräsern, sehr vertraut für jemand, der als Kind jeden Sommer in den Bergen verbracht hat.
Wir beziehen unser Haus und dann geht es auch gleich ins nahegelegene Lønstrup, ein bisschen Vorräte einkaufen, denn allzuviele Restaurants haben wir in der Umgebung unseres Hauses noch nicht entdeckt. Sicher ist sicher. Außerdem lädt die hübsche, windgeschützte Terrasse hinter unserem Häuschen geradezu dazu ein, den Griller anzuwerfen und der Sonne beim Untergehen zuzusehen. Spätabends wird dann frei Haus durch die großen Glasfronten ein Sonnenuntergang geliefert und spätestens jetzt wissen wir: hier sind wir richtig! Aber davor geht es noch an den Strand... durch die Dünen sind es nicht mal fünf Minuten und schon stehen wir da, wo das Meer in breiten, mächtigen Wellen an Land rollt. Wir atmen die Meeresluft tief ein, dieser salzige Geruch, den haben wir vermisst. Und das Auge kann sich nicht satt sehen an der Weite und dem Blau...
Am nächsten Tag erkunden wir das nahgelegene Hjørring, das eine hübsche Altstadt hat, weitere aufregende Entdeckungen darf man sich hier aber nicht erwarten. Einen Abstecher machen wir jedenfalls noch in die Katharinen Kirche, die im Kern spätromanisch war, jedoch mehrmals umgebaut wurde, u.a. barock. Und dann wartet ohnehin unsere Terrasse auf uns und wir stellen fest: Einen soliden Sonnenbrand kann man sich auch in Dänemark bei 18 Grad zulegen.
Gleich am nächsten Tag geht’s nach Rubjerg Knude, einer Wanderdüne zwischen Lønstrup und Løkken. Leuchttürme haben wir schon viele gesehen, Sanddünen auch – aber ein Leuchtturm, der Tag für Tag immer ein wenig mehr in einer riesigen Wanderdüne, die von Wiesen, weidenden Kühen und Schafen umgeben ist, versinkt, das ist Neuland für uns. Bis zu 1900 Meter lang und 400 Meter breit ist die Düne, an der höchsten Stelle misst sie bis zu 100 Meter. Aus Flugsand bestehen übrigens nur die obersten 20 bis 25 Meter, darunter liegt eine bis zu 50 Meter hohe Steilküste. Und hier hat die Eiszeit ihre Finger im Spiel, denn die größte Wanderdüne Europas ist auf eiszeitlichen Ablagerungen aufgebaut.
Den Sand rund um den Leuchtturm hat übrigens der stetig wehende Westwind so angehäuft. Lange, seit 1900, hat der Leuchtturm den Schiffen ihren Weg in der Jammerbucht gewiesen, damals stand der Turm hinter einer nur rund drei Meter hohen Düne, die allerdings mit den Jahren immer größer wurde. Ende der 60er Jahre musste der Betrieb dann eingestellt werden. Bereits komplett verschüttet sind die Nebengebäude, wo sich auch ein Flugsand-Museum befunden hatte. Immer wieder hatte es Versuche gegeben, das Wachstum der Düne zu stoppen, allerdings waren diese erfolglos. Vier Jahre nach unserem Besuch war der Turm nach Restaurierungsarbeiten übrigens wieder begehbar, über eine innenliegende Treppe – man muss einen wunderbaren Ausblick von da oben haben. Im Herbst 2018 wurde angeblich beschlossen, den Turm Richtung Landesinnere zu versetzen. (UPDATE OKTOBER 2019: Am 22. Oktober 2019 wurde der Leuchtturm tatsächlich um 70 Meter ins Landesinnere verrückt, da er aufgrund der Erosion der Küsten ins Meer zu stürzen drohte. Und es muss ein ziemliches Spektakel gewesen sein, denn immerhin galt es das 700 Tonnen schwere Gebäude auf Rollelemente zu heben, die auf Schienen lagen.)
Aber jetzt wollen wir ganz hinauf in den Norden, nach Skagen, die nördlichste Stadt Dänemarks, und zum berühmten Skagerrak, das ein Teil der Nordsee zwischen der Nordküste Jütlands, der Südküste Norwegens und der Südwestküste ist. Von Lønstrup aus sind wir mit dem Auto nach etwas mehr als einer Stunde im nördlichsten Eck Dänemarks gelandet. Hier branden zwei Meere aufeinander: Das Skagerrak verbindet über das Kattegat (Ostseite Jütlands), den Großen und Kleinen Belt sowie über den Öresund die Nordsee mit der Ostsee.
Von der nördlichsten Spitze Dänemarks bin ich dann fast ein wenig enttäuscht, vielleicht liegt es auch am Wetter, das sich nur kurz mit einem blauen Himmel, dann aber vor allem grau in grau zeigt. Das berühmte „Skagen-Licht“, das die Kunstwerke der Skagen-MalerInnen, einer Gruppe überwiegend skandinavischer Künstlerinnen und Künstler, so berühmt gemacht hat, finden wir dann doch noch – allerdings auf den großartigen Gemälden, die im Skagen-Museum zu sehen sind: 1.800 Gemälde und Zeichnungen, aber auch Skulpturen jener Künstlerinnen und Künstler, die von 1870 bis 1930 in der bekannten Künstlerkolonie Skagen tätig waren, sind hier zu finden. Die Künstler, die aus Dänemark, aber auch Norwegen und Schweden stammten, orientierten sich am französischen Realismus und Naturalismus. Und sie begeisterten sich für die Freiluftmalerei und eben das Skagen-Licht, das es hier, ganz hoch oben im Norden, in den Sommermonaten zu sehen gab und das sie auf ihre Leinwände bannten. Anna Ancher, Laurits Krøyer Tuxen oder Marie Krøyer sind nur ein paar der vielen beeindruckenden Künstler, deren Werke im Skagen-Museum zu sehen sind, das man auf keinen Fall versäumen sollte.
Dann laufen wir noch durch Skagen, das auch heute noch eine malerische, kleine Stadt ist. Besonders idyllisch und beschaulich geht es in Gammel Skagen zu: Kleine, meist mit gelber Farbe verputzte Häuser aus der Zeit um 1900, gedeckt mit roten Ziegeldächern, oft umgeben von sorgfältig gepflegten Gärten. Ganz typisch für Skagen sind die Kanten dieser Häuschen, die schneeweiße Schmuckborten tragen. Lohnenswert ist ein Abstecher zum Hafen, hier gehen Fischkutter als auch Segeljachten vor Anker. Lebhaft geht es hier in der Früh zu, wenn frühmorgens mit der Versteigerung von Fisch begonnen wird.
Wem das Meer hier nicht zu kalt ist, der findet in der Umgebung von Skagen endlose Sandstrände mit beeindruckenden Dünen- und Heidelandschaften vor. Optimale Windverhältnisse warten hier übrigens auch auf Surfer.
Abends braucht es dann einen Kontrapunkt zu unserem kleinen Kulturtrip nach Skagen: Zurück in unserer kleinen Schuhschachtel am Meer, legen wir zwei große Steaks auf den Griller und gönnen uns dazu ein gutes dänisches Bier. Und natürlich einmal mehr einen beeindruckenden Sonnenuntergang.
Am nächsten Morgen geht es dann gleich mal an den Strand, denn das gute Wetter lockt uns hinaus: Unendlich weit liegt der Strand vor uns, so weit das Auge reicht nur Meer und Sand und Himmel. Wir laufen am Meer entlang, den Horizont kann man gar nicht ausmachen. Viele Menschen sind hier nicht unterwegs, ab und an sehen wir kleine Reitergruppen, die aus den Dünen auf den Strand einbiegen, dort ein paar Mutige, die sich ins Wasser wagen, teilweise sogar ohne Neoprenanzug, Respekt. Hier darf man übrigens mit dem Auto an den Strand fahren, ein Konzept, das uns nicht wirklich überzeugt, aber es ist wenig los im Juni, Nebensaison und dementsprechend wenig frequentiert sind derzeit auch die Strände. Und dann zeigt sich uns hier das Skagen-Licht, das wir am Skagerrak vergeblich gesucht hatten… dieses helle, leichte Blau gepaart mit einem milden, milchigen Sonnenlicht, das die Landschaft fast unwirklich erscheinen lässt. Wir setzen uns auf die Dünen und lassen unsere Augen wandern. Genau so haben wir uns das vorgestellt, genauso.
Der Plan mit den Büchern und der Sonne und der Veranda war grundsätzlich ein schöner Plan gewesen, aber jetzt kommt eine Schlechtwetterfront auf uns zu und zwar eine mächtige. Und sie verwandelt unseren Strand-Sonnen-Leseurlaub... ja, in was eigentlich? In einen großartigen Kultururlaub! Denn das lernen wir rasch: Schlechtes Wetter zwingt einen vielleicht dazu den Dänemark-Urlaub ein wenig anders als geplant zu gestalten, aber es macht ihn noch lange nicht zunichte: Eine Vielzahl von interessanten, wunderbaren Museen und Schlössern lässt hier auf keinen Fall Langeweile aufkommen…
Bevor uns die Regenfront erreicht, machen wir noch einen langen Spaziergang durch die Dünen. Da biegen sich die Gräser, der Wind peitscht das Meer in großen, breiten, grollenden Wellen ans Meer, der Himmel wird immer dunkler. Beeindruckend. Zwischen den Dünen ducken sich hübsche Häuschen, viele gehören Dänen, die hier ihre Wochenende oder Sommerferien verbringen, andere stehen zur Vermietung, die Auswahl ist groß. Unseres, da sind wir uns einig, ist aber das hübscheste, und dann kommt auch schon der Regen, mit schweren großen Tropfen und wir beschleunigen unsere Schritte, um wenig später gemütlich vom Sofa aus durch die großen Glasscheiben unseres Wohnzimmers die Wolkengebirge zu beobachten, die sich da auftürmen. Hat auch etwas, so ein gemütlicher Nachmittag am Sofa, mit Buch, Kakao und ein bisschen Schläfrigkeit in den Knochen...
Und das ist ein Muss für alle Alvar Aalto Fans wie ich einer bin: In Aalborg, der viertgrößten Stadt Dänemarks, hat der weltberühmte finnische Architekt gemeinsam mit seiner Frau Elissa und dem dänischen Architekten Jean-Jacques Baruël das Kunsten Museum of Modern Art Aalborg entworfen. Genau hierhin zieht es uns am nächsten Tag, zumal sich das Wetter auch weiterhin ein wenig unfreundlich präsentiert. Eine knappe Stunde braucht man mit dem Auto durch das Landesinnere (via Vendsyssel), malerischer ist die Strecke via Lokken und Saltum, bei der man auch immer wieder schöne Ausblicke auf das Meer hat.
Das besondere an diesem Museum – neben seiner beeindruckenden Architektur: Es ist das einzige Museum außerhalb von Finnland, das Aalto gestaltet hat. Nun stehe ich Aalto-Fan also davor und bin mehr als beeindruckt: Zwischen 1968 und 1972 wurde es erbaut und dennoch wirkt es so ungemein heutig. So wichtig wie Akustik für eine Konzerthalle ist, so wichtig ist Licht für ein Museum – so oder so ähnlich hat es Alvar Aalto mal formuliert. Und dass ihm Licht und dessen Einfall ins Gebäude so wichtig war, das sieht man sobald man das Gebäude betreten hat: es ist spannend zu beobachten, wo das Tageslicht seinen Weg herein findet und wie sich die Kunstwerke darin präsentieren bzw. mit dem Licht kommunizieren. Künstliches Licht spielt herinnen definitiv nur eine Nebenrolle.
Das Museum ist ein Gesamtkunstwerk, denn die Hand der Architekten ist bis ins kleinste Detail zu spüren. Ob Einrichtung wie Tische, Sessel, Lampen oder Griffe, aber auch Türen, Fenster und Treppengeländer, hier ist alles für dieses Museum entworfen worden. Die Räume wirken sehr elegant, mit ihrem Eschenholz, dem schwarzen Leder, der Bronze und vielen weißen Flächen. Die perfekte Umgebung für Kunst ist hier gelungen. Man könnte lange durch die Räume wandern und nur dessen Gestaltung seine Aufmerksamkeit widmen. Aber Moment, hier wartet ja auch eine beeindruckende Kunstsammlung auf den Sammler. Diese präsentiert sich in vier Galerien – eine 5. ist zwischenzeitlich bei einer Restaurierung des Museums von 2014 bis 2016 dazu gekommen – und zeigt Werke von 1900 bis zur Gegenwart. Zeit nehmen, ist unser Rat, denn das zahlt sich aus. Hier kommen Kunstbegeisterte auf ihre Rechnung und ich persönlich fand es besonders spannend viele nordische Künstlerinnen und Künstler, die ich bis dahin nicht kannte, zu entdecken.
Wer danach noch ein bisschen durch Aalborg bummelt, der sollte sich nicht den schönen St. Budolfi-Dom entgehen lassen, der 1450 errichtet und 1554 zur Bischofskirche erhoben wurde. Der Dom ist die Hauptkirche des Bistums Aalborg der evangelisch-lutherischen dänischen Volkskirche. Früher standen an Stelle der heutigen Kirche eine Holzkirche und zwei romanische Kirchen. Besonders sehenswert sind die Wandmalereien im Gewölbe, die um 1500 entstanden sind. Und auch alle Freunde des Barocks kommen hier auf ihre Kosten: Der frühbarocke Altar wurde 1689 geschaffen und zeigt ein Golgota-Motiv.
Neben dem Kunsten Museum wartet noch ein weiteres Highlight moderner Architektur in Aalborg auf Architektbegeisterte: Die Musikbühne Musikkens Hus, entworfen von dem bekannten Architekturbüro Coop Himmelb(l)au, das in Wien gegründet wurde, mittlerweile aber international tätig ist. Wer nach all der Kultur auch seinem Magen etwas Gutes tun will, der sollte sich Richtung Jomfru Ane Gade aufmachen, denn in der malerischen Altstadtgasse warten einige Szene-Lokale auf Gäste. Rund um die Reberbansgade im historischen Arbeiterviertel Vestby tut sich ebenfalls einiges, hier gibt es kleine individuelle Geschäfte und Cafés... einfach mal durchschlendern. Und noch ein weiteres Glanzlicht moderner Architektur hat Aalborg zu bieten: Das Utzon Center (für Tagungen und Ausstellungen) am Limfjord, entworfen von Jørn Utzon, jenem dänischen Architekten, der auch hinter dem Opernhaus in Sydney steckt. Das Utzon Center war übrigens das letzte Gebäude, das er – gemeinsam mit seinem Sohn – vor seinem Tod entworfen hat, für die Stadt, in der er seine Kindheit verbracht hatte.
Vom Norden Jütlands geht es nun weiter auf die Insel Seeland...
Werbung aufgrund von Namensnennungen/Verlinkungen. Die Reise erfolgte ausschließlich auf eigene Kosten.
destination
JÜTLAND
Rund 30.000 km2 ist die Halbinsel Jütland im Westen Dänemarks groß und erstreckt sich von der deutsch-dänischen Grenze bis zum Limfjord. Was man vielleicht nicht unbedingt erwarten würde: Jütland bietet eine besonders vielfältige Landschaft mit langen Sandstränden an der Nord- und Ostseeküste, aber auch schöne Wälder und Moore als auch große Heideflächen. Wandern, Radfahren, badenBesonders kinderfreundlich sind die Strände an der Ostsee, für Surfer empfiehlt sich eher die Nordseeküste, z.B. der Ringkøbing Fjord. Das Meer kann allerdings sogar im Hochsommer sehr erfrischend sein, das muss man mögen. Besonders kinderfreundlich sind die Strände an der Ostsee, für Surfer empfiehlt sich eher die Nordseeküste, z.B. der Ringkøbing Fjord. Darüber hinaus wartet Jütland auch mit vielen kulturellen Highlights auf, z.B. in Aalborg, Aarhus oder Skagen, der Stadt an zwei Meeren.