Auf zu einer bayrischen Hochzeit – und warum nicht gleich ein paar Tage anhängen,
München eine Stippvisite abstatten und als Draufgabe den Chiemgau erkunden?
Gedacht, getan – denn Anfang Oktober kann es wettertechnisch in Bayern ja so richtig nett sein.
Zumindest theoretisch…
München begrüßt uns dann auch gleich mal mit einem ordentlichen Gussregen, damit wir wissen, woran wir die nächsten Tage sein werden. Aber das tut unserer München-Liebe keinen Abbruch, im Gegenteil. Kurzer Check-in im Hotel Bold und schon geht es zu Fuß Richtung Innenstadt. Erstes Ziel ist dann auch gleich mal das Münchner Stadtmuseum: Es verspricht Wärme, Trockenheit und eine gute Ausstellung. Schade, dass uns die aktuelle Ausstellung dann doch nicht reizt, aber dafür ist es nur einen Katzensprung über den Platz hinüber ins Jüdische Museum. Nach dem Ausstellungsbesuch lässt es sich hier übrigens auch noch sehr gut im Museums-Café bei Heidelbeer-Muffin und Kaffee sitzen oder in den Büchern im Museumsshop schmökern.
Ein Muss bei jedem München-Besuch ist für uns auch ein Stopp-over in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus: Hier wartet die weltweit größte Sammlung an Bildern aus dem Künstlerkreis des „Blauen Reiter“ auf die Besucher – für Kunstaffine gibt es da also wohl keinen Weg vorbei. Untergebracht ist das Museum in der denkmalgeschützten Villa des Malerfürsten Franz von Lenbach in Maxvorstadt; einige Räume, die im Originalzustand erhalten sind, können übrigens im Rahmen eines Ausstellungsbesuchs besichtigt werden. Beindruckend ist auch der Erweiterungsbau des Architekturbüros Foster + Partners (gegründet von Norman Foster), der im Mai 2013 eröffnet wurde.
Und dann am besten noch Richtung Alter Hof im Zentrum von München, für ein bisschen geballtes (Window-)Shopping: Nach einem kurzem Abstecher bei Manufactum (Dienerstraße 12) geht es ins traditionsreiche Kaufhaus Ludwig Beck, das 1861 von Ludwig Beck gegründet wurde und der wenig später königlich bayerischer Hoflieferant von König Ludwig II. war: Königlich sind auch heute noch durchaus die Preise so mancher Waren, aber es macht Spaß auch einfach nur mal durch die sieben Etagen mit Mode, Accessoires, Kosmetik, Wein, Papeterie, Büchern und vielem mehr durch zu schlendern. Gleich um´s Eck die nächste Verführung bei Torquato im Schäfflerhof (Theatinerstraße 1/Schäfflerstraße 6), wo außergewöhnliches Porzellan, farbenfrohe Gläser, hochwertiges Leinen, köstliche Spezialitäten und vieles mehr laut rufen: Kauf mich! Kauf mich! Und weil es immer noch gar so arg regnet und natürlich nur darum, retten wir uns hinüber in die FÜNF HÖFE, wo Mode, Wohn- und Esskultur, Literatur und Gastronomie großgeschrieben werden. Kultur-Liebhaber kommen hier auch auf ihre Rechnung: Denn die Kunsthalle München gehört zu den führenden Ausstellungshäusern in Deutschland mit Kunst von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Und weil auch Kunst hungrig macht, legt man danach am besten noch einen Stopp hier ein: im Café Bar Brasserie Kunsthalle.
Abends muss es dann natürlich ein richtig knuspriger bayrischer Schweinsbraten sein und weil wir heute richtig viele Kilometer zu Fuß gemacht haben, finden wir diesen quasi um`s Eck vom Hotel: Im Paulaner Bräuhaus (Kapuzinerplatz 5). Danach vielleicht noch auf einen Gin im Hotel BOLD und dann: Guadnacht, München!
Am nächsten Tag wird dann endlich geheiratet: Ein bisschen mehr als eine Stunde außerhalb von München geben sich unsere Freunde das Ja-Wort, im AmVieh-Theater in Schwindegg: Nicht nur eine ideale Hochzeits-Location, sondern auch ein kleines Paradies für alle Ruhesuchenden und Naturbegeisterten. Mitten im Obstgarten liegt das kleine Biohotel in Holzständerbauweise… das verspricht eine herrlich erholsame Nacht nach einem Tag, an dem viel gefeiert, gegessen und getanzt wird.
Tag 3 und wir machen uns auf den Weg Richtung Chiemgau: Zuvor gibt es aber noch einen Abstecher nach Wasserburg. Der Himmel ist immer noch grau, aber die kleine Stadt am Inn präsentiert sich dank vieler wunderschöner farbiger Hausfassaden trotzdem bunt. Die Altstadt liegt auf einer Halbinsel, die fast vollständig (zu ca. 7/8) vom Inn umflossen wird. Wir nähern uns der mittelalterlichen Altstadt, die fast vollständig erhalten ist, über die berühmte Rote Brücke und durch das Brucktor, an dessen Innenfront Fresken aus dem Jahr 1568 zu finden sind. Zu sehen gibt es in der kleinen Stadt einiges, erste Station ist das Heilig-Geist-Spital mit Spitalkirche in der Bruckgasse: Spitalsgebäude und Kirche stammen aus dem 14. Jahrhundert, das aus Holz geschnitzte Altarbild in der Kirche zeigt das Pfingstwunder und stammt aus 1500. Danach schlendern wir über den Marienplatz – Neues und Altes Mauthaus, Rathaus, Marktkirche – das Auge weiß gar nicht, an welcher Fassade es zuerst hängenbleiben soll. Mein Favorit ist das Kernhaus, in dem sich heute ein Hotel befindet: ein ehemaliges Patrizierhaus, mit spätmittelalterlichen Lauben im Erdgeschoss und einer wunderschönen Rokoko-Fassade aus den Jahren 1738-1740.
Nordwestlich vom Marienplatz steht die Kirche Sankt Jakob, 1478 fertig gestellt: Außen sind viele Grabsteine von wichtigen Wasserburger Persönlichkeiten zu finden, innen ist von der prachtvollen Renaissance-Ausstattung leider nur die Kanzel übriggeblieben, trotzdem ist die dreischiffige Hallenkirche sehenswert. Nicht verpassen sollte man das Großgemälde von 1460 an der Außenseite des Chorschlusses, das einen „Lebensbaum“ zeigt. Durch die Herrengasse mit Hausfassaden wie aus dem Mittelalter-Bilderbuch geht es – nach einem Abstecher zum Roten Turm – zurück Richtung Marienplatz. Und weil das Oktoberwetter sich definitiv schon wie November anfühlt, wärmen wir uns dort im gemütlichen Café „Die Schranne“ auf.
Wasserburg, wir mögen dich, aber beim nächsten Mal – es gibt noch einiges zu sehen – darfst du ruhig dein sonniges Gemüt raus lassen. In freundlichen Farben zeigt sich die kleine Stadt jedenfalls jetzt schon auf den Plakaten der gebürtigen Wasserburgerin Nina Simone Wilsmann. Die Grafikdesignerin und Illustratorin ist hier aufgewachsen und nach Zwischenstationen in Augsburg, München, Barcelona und Budapest in Wien gelandet, wo sie nun Städte und mehr auf Papier bannt: Weil sie immer schon gerne gereist ist und zeichnen immer schon ihre Leidenschaft war, hat sie ihren ganz eigenen Kartografiestil entwickelt und für ihre Stadtillustrationen auch schon einige Designpreise gewonnen.
Weiter geht es dem Inn entlang nach Rott am Inn, denn hier gibt es ein Highlight für Rokoko-Fans, wie ich einer bin: Die Abteikirche St. Marinus und Anianus des Klosters Rott am Inn, einer ehemaligen Abtei der Benediktiner. Einst stand hier eine romanische Basilika, heute das Rokoko-Bauwerk von Johann Michael Fischer. Von außen eher unscheinbar, überrascht dann das Kircheninnere: Reinster und bester Rokoko und ein beeindruckendes, zentrales Deckenfresko von Matthäus Günther. Großartig auch die Holzfiguren am Hochaltar, mit ihren markanten Gesichtern – besonders gerne mag ich an einem Seitenalter den frechen Engel mit dem roten Bischofshut.
Aber jetzt endgültig auf zum Chiemsee: Unzählige Male sind wir am Weg Richtung München oder gen Süden an ihm vorbeigefahren bzw. vorbei gestaut und schon immer wollte ich alte Se(e)hnsüchtige dort auch mal anhalten. Aber jetzt: Next Stop Aschau im Chiemgau, wo mich nur wenige Kilometer vom See trennen. Und wo könnte man in Aschau besser schlafen als im Gästehaus „berge“ von Möbeldesigner Nils Moormann – in wunderbar einzigartig gestalteten Zimmern. Unser großzügiges Loft ganz oben unter dem Dach bietet einen großartigen Ausblick auf die Kampwand-Bergwelt, nun, theoretisch: denn noch trennt uns ein mächtiger Nebel. Aber das wird schon noch werden…
Wie heißt es doch so schön: es gibt kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung. Naja, der nächste Tag hat wohl beides für uns im Gepäck. Mäßig ausgestattet und bei strömendem Regen begeben wir uns wagemutig auf das Schiff am Chiemsee, das uns von der Anlegestelle in Prien auf die Insel Herrenchiemsee bringen soll. Alle Spielarten von nassem Blau, Grün und Grau sind da draußen zu sehen, nur keine Insel – erst im letzten Augenblick, kurz vor dem Anlegen, wird sie sichtbar. An Land geschwappt zücken wir den Regenschirm und marschieren entlang Alleen und durch einen kleinen Wald Richtung Neues Schloss, das Bayernkönig Ludwig II. 1878 in Auftrag gab. Könnte eigentlich sehr sehr hübsch sein, dieser Spaziergang, wenn uns nur die Sonne ein bisschen gewogener wäre...
Ludwig, Ludwig – was hast du dir dabei nur gedacht? Ein Abbild von Schloss Versailles sollte sein Schloss werden, war Ludwig XIV., der sogenannte Sonnenkönig, doch sein großes Vorbild. Merkwürdig aus der Zeit gefallen wirkt es dann, zumal die Vorlage Versailles mehr als 200 Jahre zuvor errichtet worden war. Sehenswert ist es dennoch: Besichtigen kann man die Repräsentationsräume im Grande Apartment, die jedoch nie vom Bayernkönig genutzt wurden, sowie die beeindruckende Spiegelgalerie, die mit 98 Metern Länge sogar noch ein wenig großzügiger ausfiel als jene in Versailles. Auch die Spiegelgalerie war ganz dem König vorbehalten, heute finden darin immer wieder Konzerte statt und das muss sehr beeindruckend sein. Ludwig hatte geplant in die Kleinen Apartments im Schloss zu ziehen, aber auch hier soll er insgesamt nur zehn Tage lang gewohnt haben, bevor er 1886 am Starnberger See unter nie geklärten Umständen starb. Ebenfalls interessant zu sehen: Der nicht fertig gestellte Teil des Schlosses – wie etwa das nördliche Treppenhaus, das sich als gänzlich unverputzter Ziegelbau zeigt. Aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten waren die Bauarbeiten ab 1886 nicht fortgesetzt worden, nur der dreiflügelige Hauptbau war zu diesem Zeitpunkt vollendet. Als wir Ludwigs Traumschloss nach einer Führung wieder verlassen, hat auch der Regen wieder zuverlässig eingesetzt. Einen ausgiebigen Spaziergang durch den Park – ebenfalls wie das Schloss in seiner Mittelachse Versailles nachempfunden – sparen wir uns deshalb, lieber zurück auf die trockene "Berta", die uns zurück nach Prien bringt...
Vom Wind ordentlich durchgelüftet und vom Regen geduscht, finden wir einen Platz im Café Nova in Prien: Den herrlichen Apfelkuchen und den heißen Kaffee haben wir uns mehr als verdient. Aber auch ohne Schlechtwetter ist dies hier ein guter Platz, um gemütlich in Büchern und Zeitschriften zu schmökern und sich kulinarisch verwöhnen zu lassen. Wir vergessen jedenfalls fast den peitschenden Wind und Regen da draußen...
Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen von Bayern: Was aber vorher definitiv noch am Programm steht, ist ein Besuch in der Ideenschmiede unseres Hausherrn Nils Holger Moormann. Diese liegt nur wenige Gehminuten entfernt vom Gästehaus „berge“... in Räumlichkeiten, wo früher Pferde und Kutschen standen, präsentiert der Designer und Möbelproduzent Moormann nun Design.
Da liegt er also am Tag unserer Abreise: Ruhig und weit – kein Wunder, dass der Chiemsee oft das bayerische Meer genannt wird. Wasser in allen Farbschattierungen, soweit das Auge reicht. Sogar die Sonne hat sich ein bisschen hervorgewagt und wir spazieren bei Prien noch ein wenig am See entlang. Jetzt will er uns den Abschied also doch noch schwer machen, dieser See. Na gut, gewonnen, wir kommen noch mal, aber dann mein Lieber, sparst du nicht mit Sonne... Pfiat di!