Ulrichsviertel, Jakobervorstadt und die Fuggerei, älteste bestehende
Sozialsiedlung der Welt, sind die letzten Stationen auf unserem Spaziergang
durch Augsburg. (Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2 der Augsburg-Reportage.)
Auch dem berühmtesten Bürger Augsburgs begegnet man in diesem Viertel: nämlich dem Dichter, Dramatiker und Schriftsteller Bert Brecht. In seinem Geburtshaus (Auf dem Rain 7), das im Untergeschoss eine Feilenhauerei beherbergte und das idyllisch von Kanälen umflossen wird, ist heute ein Museum, das Brechthaus, angesiedelt, in dem Exponate zu seiner Kindheit und Jugend sowie Werken zu sehen sind. (Darunter sind auch einige wertvolle Erstausgaben seiner Werke.)
Und dann gibt es noch ein absolutes Highlight, das man, wenn im Lechviertel unterwegs, keinesfalls auslassen sollte: Die evangelische Barfüßerkirche, in der Bert Brecht, der quasi schräg gegenüber geboren wurde, getauft wurde. Auch sie hat, wie z. B. die Moritzkirche an der Maximilianstraße, eine bewegte Geschichte: Im 13. Jahrhundert als Teil eines Franziskanerklosters erbaut und seit 1536 ein evangelisches Gotteshaus, wurde sie im Februar 1944 bei Luftangriffen bis auf die Außenmauern des Chors zerstört. Auch sie wurde wieder aufgebaut, bis zum Jahr 1951, in vereinfachter Form – das hintere Kirchenschiff wurde z.B. nicht mehr errichtet, dort befindet sich heute ein Innenhof, der mich an einen idyllischen Klostergarten erinnert.
Auch wenn die Barfüßerkirche nur in vereinfachter Form wiederaufgebaut wurde und das Innere sehr reduziert und schlicht gehalten ist, mutet ihre Atmosphäre irgendwie besonders an. Auch die Orgel, 1958 von der österreichischen Orgel-Werkstatt Rieger errichtet, beindruckt. Sehenswert ist auch der Kreuzgang mit seinem schönen Gewölbe, über den man den Sakralraum betritt. Als ich dann wieder draußen angelangt einen Blick zurückwerfe, fällt mir auf, dass der Kirchenbau turmlos ist – und dieser irgendwie besonders streng und fast unnahbar wirkt.
Die Fuggerei – soziales Wohnbauprojekt einst und heute
Das wirtschaftlich sehr erfolgreiche und streng katholische schwäbische Kaufmannsgeschlecht der Fugger (das anfänglich aus zwei Linien bestand, „von der Lilie“ und „vom Reh“), das seit dem Jahr 1367 in Augsburg ansässig war, beeinflusste die Stadt wie wenige andere – hat Augsburg doch nicht umsonst den Beinamen „Fuggerstadt“.
Sehr rasch stand der Name „Fugger“ in ganz Europa für Reichtum und die Familie gewann stark an Einfluss: Ab 1511 stiegen Mitglieder der Familie in den Adel auf, ab Mitte des 16. Jahrhunderts gewannen sie auch in Kirche und Politik stark an Bedeutung. Ihre Geschichte hier umfassend zu erzählen, würde einer Semester-Vorlesung gleichkommen und man kann sie ja auch an vielen Stellen nachlesen. Oder aber man besucht eben die Fuggerei, die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt und, wie der Name unmissverständlich verrät, eine Stiftung der Fugger.
Eine spannende Mischung von Sozialsiedlung und Freilichtmuseum ist die Fuggerei heute: Es fühlt sich schon ein wenig sonderbar an durch die Gassen dieses Viertels zu streifen und etwas verstohlen die Wohnhäuser zu betrachten, in denen bis heute Menschen ihrem (Wohn-)Alltag nachgehen. Jakob Fugger stiftete die Fuggerei – auch im Namen seiner Brüder – im Jahr 1521 als Wohnsiedlung für bedürftige Augsburger Bürger:innen. Bis heute fühlt sie sich ein wenig als Stadt in der Stadt an – mit einer Kirche, den Gassen zwischen den 67 zweistöckigen Häusern und den drei Toren. In insgesamt 142 Wohnungen leben auch heute noch Menschen, die mindestens drei Voraussetzungen erfüllen müssen: Augsburger:innen müssen sie sein, katholisch und unverschuldet in Armut geraten. Dann erhalten sie mit ein wenig Glück eine Wohnung, für die sie (als Jahreskaltmiete) bis heute den symbolischen Rheinischen Gulden bezahlen (was derzeit bei 0,88 Euro liegt). Ein wenig aus der Zeit gefallen mutet eine weitere Vorgabe an: Die Mieter:innen verpflichten sich drei Mal am Tag Gebete für den Stifter Jakob Fugger und dessen Familie zu sprechen. Und heute ebenfalls kaum vorstellbar: Die Tore zur Fuggerei werden täglich um 22 Uhr geschlossen. Wir können es kaum glauben, als wir es lesen, aber wer später nach Hause kommt, der muss zuvor eine Art „Sperrgebühr“ hinterlegen, nur dann öffnet ihm der Nachtwächter. Finanziert wird die Sozialsiedlung heute, wie man liest, fast zur Gänze aus dem Stiftungsvermögen, geleitet wird die Stiftung von einer Nachfahrin der Fugger, Elisabeth Gräfin Thun-Fugger.
Am besten betritt man die Fuggerei durch das Tor an der Jakoberstraße. Erste Station: Die kleine Markuskirche, die vom Vater des Augsburger Stadtbaumeisters Elias Holl erbaut wurde. Dann geht es über die Herrengasse ins Herz der Anlage, wo unterschiedliche Gassen verlaufen – die Finstere, Mittlere und Hintere Gasse als auch die Ochsengasse und die Neue Gasse. Es zahlt sich aus in Ruhe durch diese Gassen zu spazieren und der Atmosphäre dieser Siedlung nachzuspüren. Einen prominenten Mieter kann die Fuggerei übrigens auch vorweisen: Der Urgroßvater von Wolfgang Amadeus Mozart, der Maurermeister Franz Mozart, wohnte einst hier.
Bei unserem Besuch Ende Oktober wuchert es bunt an den Hausfassaden, über uns ein wolkenloser blauer Herbsthimmel und wir genießen diesen warmen Herbsttag. Dennoch besuchen wir auch die drei kleinen Museen, um ein wenig mehr über die Idee dieses Projekts und seine heutigen Bewohner:innen zu erfahren: Museum der Geschichte und des Wohnens (Mittlere Gasse 13/14), Museum der Bewohner und Museum des Alltags (Ochsengasse 46 bzw. 47). Besuchenswert ist auch der Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem man Informationen zur Zerstörung und dem Wiederaufbau der Fuggerei aber auch der Stadt findet.
Jakobervorstadt
Sie liegt quasi vor den Toren der Fuggerei und streng genommen gehört die Fuggerei auch dazu: Die Jakobervorstadt. Wenig überraschend befindet sich hier auch die Kirche St. Jakob, die, wie einige andere Kirchen in Augsburg, im 2. Weltkrieg komplett zerstört, danach aber wieder aufgebaut wurde. Bis heute ist die Kirche, die 1521 protestantisch wurde, eine wesentliche Station auf dem Augsburger Jakobsweg, dem Jakobus-Pilgerweg im bayrischen Schwaben.
Nicht zu übersehen ist in diesem Viertel auch das Jakobertor, das im 14. Jahrhundert errichtet wurde und zunächst ein wichtiges Tor in die Stadt war für all jene, die aus der Richtung von München kamen. Ergänzt um mächtige Wallanlagen (Jakoberwall im Süden, Oblatterwall im Norden) wurde das Tor um 1540.
Der Süden der Altstadt: Das Ulrichsviertel
Noch ist die Altstadt aber nicht zur Gänze erforscht, das südliche Viertel der Altstadt und damit das Ulrichsviertel – das grob gesagt zwischen der Kirche St. Ulrich und dem Roten Tor liegt – wollen wir auch noch sehen. Und so geht es durch die Bäckergasse Richtung Spitalgasse zum Heilig-Geist-Spital – der ältesten städtischen Einrichtung zur Krankenversorgung (bereits 1150 urkundlich erwähnt). Das Heilig-Geist-Spital ist übrigens das letzte Bauwerk, das der bekannte Augsburger Stadtbaumeister Elias Holl geplant hat, fertiggestellt wurde es 1631: eine große Anlage, mit vier Flügeln und einem schönen Arkadenhof. Heute fungiert es nicht mehr als Krankenhaus, sondern es befinden sich Ateliers und ein Seniorenwohnheim darin – und das berühmte Marionetten-Theater Augsburger Puppenkiste. Mehr Aufführungen als Tage im Jahr gibt es in diesem Theater, das seit Generationen als Familienbetrieb geführt wird und längst ein schwäbisches Kulturgut ist: 1948 wurde die Puppenkiste eröffnet. Der Name täuscht ein wenig, denn auch wenn es durchaus so anmuten mag, ist das Programm der Puppenkiste nicht nur auf Kinder zugeschnitten und keineswegs werden hier nur Märchen aufgeführt. So wurde hier z. B. schon 1960 die Dreigroschenoper von Bert Brecht, dem wohl berühmtesten Bürger Augsburgs, aufgeführt. Hier kommen also auch Erwachsene auf ihre Rechnung, sei es bei Kabarett oder anderen Stücken. Ein Puppentheater-Museum („Die Kiste“) gibt es im selben Komplex auch seit mittlerweile mehr als 20 Jahren. (Wer mehr über die Puppenkiste erfahren will, liest am besten hier nach.)
Südlich und in unmittelbarer Nähe befindet sich das Rote Tor, optisch auf jeden Fall das herausstechendste Stadttor der Stadt. Es überrascht irgendwie auch nicht zu hören, dass hier Stadtbaumeister Elias Holl ein weiteres Mal seine Hände im Spiel hatte: Das heutige Tor (rot/beige) wurde 1622 auf mittelalterlichen Fundamenten errichtet. Wer davor steht, entdeckt auch ein niedrigeres Vortor, welches älter ist und bereits Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden war.
Sehenswert sind auch die drei Wassertürme nahe dem Roten Tor, sie gelten als die ältesten ihrer Art in Mitteleuropa. 1416 wurde der größte der drei Wassertürme erbaut, um die Bürger:innen Augsburgs mit Wasser versorgen zu können. Besichtigen kann man die Wassertürme nur von außen vom sogenannten Handwerkerhof aus.
Das Gelände rund um den roten Torwall und den alten Stadtgraben ist ein beliebtes Freizeitgebiet für die Augsburger:innen: Große Grünflächen (sogar mit einem Kräutergarten, in dem jeder kostenlos kleine Mengen an Kräutern ernten kann und wo man interessante Pflanzenraritäten findet) und eine Freilichtbühne mit über 2.000 Plätzen, wo im Sommer Aufführungen des Stadttheaters sowie Konzerte stattfinden.
Und noch ein paar weitere Tipps für Augsburger Besichtigungs-Highlights
Wer jetzt noch nicht genug hat, für den gibt es noch weitere lohnende Ziele in Augsburg: So z.B. das Maximilianmuseum, das älteste Museum in Augsburg.1854 eröffnet, beherbergt es eine umfassende kunsthistorische Sammlung sowie zahlreiche Ausstellungsstücke zur Geschichte der Stadt vom Mittelalter bis zum Jahr 1805. Beliebt auch das Fugger- und Welser-Erlebnismuseum, das alles über die großen Augsburger Handelsdynastien der Fugger und Welser erzählt. Interessant auch das Staatliche Textil- und Industrie-Museum tim in einer ehemaligen Fabrik im Textilviertel; im 19. Jahrhundert galt Augsburg als "deutsches Manchester", befanden sich in diesem Viertel östlich der alten Stadtbefestigung doch mehr als 20 Textilfabriken, die über 10.000 Menschen einen Arbeitsplatz boten. (Mehr Informationen zum Textilviertel hier.) Bierfans sollten am Rand des Textilviertels im sogenannten Schlachthof-Quartier in der Kälberhalle im Hasenbräu (mit Hausbrauerei, Restaurant und Biergarten) vorbei schauen. Über jüdisches Leben in Augsburg und Schwaben ab dem Mittelalter informiert das Jüdische Museum Augsburg Schwaben.
Zum Schluss gibt es noch ein paar Shopping- und Kulinarik-Tipps. Nr. 1: Kolonial Feinkost & Buch (Mittlerer Lech 2). Der hübsche Laden nahe dem Brechthaus und der Metzg kombiniert perfekt kulinarische Spezialitäten (Gewürze, Backwaren und Süßes, exotische Getränke, Öle, Spirituosen, Weine, Kaffee – und das aus diversen Ländern rund um die Welt) mit einer tollen Auswahl an Büchern – mit einem Fokus auf Kochbücher, Reisebücher und Bildbände. Aber auch Belletristik, Kinder- und Jugendbücher findet man hier. Und dazwischen noch einiges mehr – von exquisiten Duschgels über Porzellangeschirr bis hin zu schönen Textilien für die eigenen vier Wände. Ich bin jedenfalls gleich mal fündig geworden in Sachen Geburtstagsgeschenk für eine liebe Freundin. Und ärgere mich jetzt noch, dass ich von den herrlich duftenden Zitronen-Duschgels nicht auch gleich eines für mich mitgenommen habe...
An der Konditorei Euringer am Perlachberg (Nr. 9) komme ich zufällig vorbei. Und schlage gleich mal zu in Sachen süße Augsburg-Souvenirs, denn Platz ergattern wir im knallvollen Cafè an diesem Samstagnachmittag keinen. Dabei lachen mich die Torten aus der Vitrine alle so freundlich an, aber gut, es wäre da eh die Qual der Wahl aufgekommen...
Das Kaffeehaus Dichtl ist eine Augsburger Institution: 1936 wurde die Bäckerei und Konditorei in der Rosenauerstraße eröffnet. Das erste Cafè wurde schließlich in der Bahnhofstrase (Schrannenstrasse 2/ Ecke Bahnhofstrasse) gegründet, Nr. 2 kam schließlich 1999 in der Maximilianstraße (18) dazu. In letzterem schaue ich vorbei, leider mit vollem Magen vom Frühstück – aber ein paar Tafeln feinster Vollmilch-Schokolade für die Liebsten zu Hause dürfen dann doch mit. Und ja, eine davon ist dann doch in den eigenen Magen gewandert und das habe ich nicht mal bereut, denn sie war schlichtweg köstlich. Apropos: Das Dichtl ist auch ein guter Platz um zu frühstücken, abseits von all den süßen Verführungen gibt es eine große Frühstücks-Karte.
Erste Reihe fußfrei mit großartigem Blick auf Rathaus und Perlachturm sitzt man im Henry´s Augsburg am Rathausplatz und das von morgens bei einem Frühstück bis spät in die Nacht bei einem Drink.
Ebenfalls erste Reihe fußfrei, allerdings mit Blick auf die Maximilianstraße, sitzt man im Picnic (Maximilianstr. 41), bei einem Glaserl selbst ausprobiert. Frühstück gibt es hier übrigens auch.
Bei der Augsburger Familie nachgefragt, wo man noch gut frühstücken kann in der Stadt, gibt es folgende weitere Frühstücks-Tipps:
Viktor Café & Bar im Bismarckviertel (Hartmannstraße 1)
Gutes Angebot auch für Vegetarier:innen und Veganer:innen. Schöner Biergarten unter Bäumen.
Café Himmelgrün – Brot, Café und schöne Dinge im Textilviertel (
Genau der richtige Platz für ein gemütliches Wiedersehens-Essen mit der Augsburger Familie, finde ich: Die Blaue Kappe (Volkhartstraße 22). Lässig und modern mit viel Holz, entspannte Atmosphäre, durchmischtes Publikum, freundliches Service, gutes Essen und eine kleine, aber feine Wein-Karte (Sehr empfehlenswert: Der Sauvignon Blanc vom Weingut Schittler & Becker/Rheinhessen). Erfrischend-köstlich als Aperitiv übrigens der Himbeere-Hibiskus-Spritz.
Hotels gibt es in Augsburg zwar einige, wer aber in der Rubrik "kleines, aber feines Boutiquehotel" sucht, tut sich in Augsburg gar nicht so leicht. Wir haben uns schließlich für das Hotel Maison Viktoria entschieden, gleich neben dem Bahnhof gelegen – und um`s Eck von der Bahnhofsstrasse: In ca. 10 Minuten ist man zu Fuss im Stadtzentrum rund um das Rathaus. Die Zimmer sind ganz hübsch aufgefrischt worden, die Bäder bekamen auch ein kleines Makeover, wobei da noch Luft nach oben ist. Große Auswahl gibt es beim Frühstücksbuffet, das man zubuchen kann. Freundlicher Empfang, guter Schlaf in bequemen Betten, ruhig war es auch trotz Bahnhofsnähe. Also durchaus eine Empfehlung für Augsburg.
Wer den Einstieg in den Augsburg-Bericht verpasst hat: Hier geht es zu Teil 1, hier zu Teil 2.