• Bergamo – Schönheit im Schatten Mailands
    Lombardei I Italien

2008

Eine kompakte, hübsche und gut erhaltene Altstadt, umgeben von dicken venezianischen Mauern, malerisch
auf einem Plateau über der città bassa (Unterstadt) gelegen: Bergamo ist definitiv einen Besuch wert. Und das nicht nur, weil sich die 120.000-Einwohner:innen-Stadt in der Lombardei 2023 gemeinsam mit dem nahen Brescia
den Titel "Italienische Kulturhaupstadt" teilt ...

Bergamo gehört zu den schönsten Städten Norditaliens: Das stelle ich Mitte der 90er Jahre bei meinem ersten Besuch fest und viele Jahre später wiederum. Dennoch lassen oft viele Reisende, die nach Maiiand unterwegs sind, die kleine Stadt  an den Ausläufern der Südalpen links liegen. Ein Fehler, wie ich finde. Denn die nordöstlich von der Hauptstadt der Lombardei gelegene Hauptstadt der Provinz Bergamo ist definitiv einen Besuch wert, einen ausgiebigen, dafür einplanen sollte man auf jeden Fall zwei bis drei Tage – denn es gibt viel zu sehen.

Wir stellen bei unserem Bergamo-Besuch die Oberstadt in den Fokus und beziehen auch dort unser Quartier, nur wenige Minuten von der Piazzetta Duomo entfernt. Wer ohne Auto anreist (Mailand ist nur einen Katzensprung entfernt und es gibt eine gute Busverbindungen zwischen den beiden Städten), kann  die die zum Großteil autofreie Oberstadt auch via Standseilbahn (ab der Station am Viale Vittorio Emanuele II) erreichen – toller Ausblick auf die Unterstadt und die umliegenden, hügeligen Ausläufer der Südalpen inklusive.

Oben erwartet einen dann ein hügeliges, historisches Zentrum, vielfach mit dunkelrotem Stein gepflastert, und von einer venezianischen Mauer aus dem 16. Jahrhundert umgeben. Am Mercato delle Scarpe (dem früheren Marktplatz) wird man von der Standseilbahn ausgespuckt – vom dortigen Cafè hat man übrigens einen schönen Ausblick auf die città bassa. Über die Via Gombito erreicht man schließlich die Piazza Vecchia: In der Mitte der Piazza ein Brunnen, dahinter der dominante, gotische Palazzao della Ragione, das frühere Rathaus. Aber: Es ist verhüllt, weil "in restauro", Pech gehabt  denn wir versäumen etwas, wie wir dem Reiseführer entnehmen. Da steht der Palazzo mit einer breiten Säulenhalle im Erdgeschoss, durch die man eigentlich hindurch geht, um zum Domplatz zu kommen. Eine Art Sonnenuhr mit Tierkreiszeichen und ellipsenförmigen Bögen zieht sich durch die Halle – theoretisch, denn wir sehen leider nichts davon. Nicht zu übersehen – seitlich des Palazzo – allerdings der Torre Civica, exakt 52,76 Meter hoch. Beinahe hätten die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg die große Glocke eingeschmolzen, um daraus Waffen zu gießen, aber nur beinahe eben. Und so läutet sie bis heute, jeden Abend pünktlich um 22 Uhr, 100 Mal und das seit mittlerweile rund 360 Jahren. Ein beeindruckender Platz, wie schade, dass wir in nicht in seiner ganzen Schönheit sehen können, da der Palazzo della Ragione verhüllt ist.

Und dann steht man auch schon auf der Piazzetta del Duomo: "Nur" eine Piazzetta, eine kleine Piazza, aber dafür umso prächtiger. Denn hier befinden sich gleich zwei Kirchen – der Dom, die Kirche Santa Maria Maggiore, ein Baptisterium und die Grabkapelle der Familie Colleoni. Und schon wieder haben wir ein bisschen Pech: Auch im klassizistischen Dom finden leider Renovierungsarbeiten statt, schade, denn das Werk von Tiepolo in der Apsis hätten wir gerne gesehen.

Sehenswert auch das Baptisterium aus dem 14. Jahrhundert, heute allerdings besteht es nur mehr teilweise aus dem ursprünglichen Mauerwerk. Was man dem Baptisterium auch nicht ansieht: Ursprünglich stand es in der Chiesa Santa Maria Maggiore. Dann wurden die Taufen jedoch in den Dom verlegt, die nun mehr nicht mehr benötigte Taufkapelle wurde 1660 abgebaut – und erst rund 200 Jahre später wieder aufgebaut, nun auf der Piazzetta del Duomo. (Den Innenraum kann man leider nicht besichtigen.)

Um vieles monumentaler als der Dom präsentiert sich die romanische, später barockisierte Kirche Santa Maria Maggiore. Auf den ersten Blick gleich mal interessant: die Fassade fehlt, den beeindruckenden Innenraum betritt man von der Seite durch einen reich verzierten Torbau. Über unseren Köpfen dann üppig gestaltete Gewölbe, mit Stuckengeln, Gold und Gemälden ausgestaltet. Beeindruckend auch das monumentale Fresko an der Decke ("Krönung der Jungfrau") als auch die geschnitzten Chorschranken, mit aufwändigen Intarsien, die Themen aus der Bibel zeigen. Im hinteren Bereich der Kirche dann ein Grabmal für einen prominenten Bergamasker, den Opernkomponisten Gaetano Donizetti.

Aber noch einmal zurück zum Nordportal, der Porta dei Leoni rossi, die besonders schön ist und von einer aufwändig gestalteten Vorhalle überdacht wird. Auf zwei Löwen aus rotem Veroneser Marmor ruhen die zwei tragenden Säulen vor dem Eingang. Eine Säule auf einem Löwen ist übrigens auch Symbol für die Überwindung des Bösen und ein beliebtes Gestaltungselement an Kircheneingängen.

Geradezu mit der Kirche verschmolzen scheint die Renaissance-Fassade der Cappella Colleoni zu sein: Filigran gestaltet aus weißem und rosafarbenem Marmor, mit zahlreichen feinen Details, ein hervorragendes Beispiel lombardischer Architektur des 15. Jahrhunderts. In Auftrag gegeben wurde der Bau der Grabkapelle von Condottiere Bartolomeo Colleoni, einem Söldnerführer im Dienste Venedigs. Hier fand er auch seine letzte Ruhe, gemeinsam mit seiner Tochter Medea, die bereits im Alter von 12 Jahren gestorben war.

Es ist ein Labyrinth aus schmalen, mittelalterlichen Gassen, versteckten Höfen, kleinen Plätzen, das man in der Oberstadt vorfindet. Wer genug Zeit mitgebracht hat und Opern mag, den wird vermutlich das Museo Donizettiano interessieren: Es befindet sich in der Via Arena (Nr. 9), im Palazzo della Misericordia, Gaetano Donizettis früheres Wohnhaus. Donizetti (1797 in Bergamo geboren) stammte aus eher ärmlichen Verhältnissen, schrieb 75 Opern und wurde – neben Rossini und Vincenzo Bellini – zu einem der bedeutendsten Meistern der sogenannten Belcanto-Oper. Auch international gilt er heute als einer der erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts. Besichtigt werden kann übrigens auch sein Geburtshaus: Das Casa Natale di Gaetano Donizetti findet man in der Via Borgo Canale 12, oberhalb der Città Alta.

Und dann haben wir ihn gefunden, einen der schönsten Ausblicke auf die Unterstadt und die umliegende Ebene: Von der marmorweißen Porta San Giacomo (einem der vier Stadttore) gelangt man auf ein steinernes Viadukt – und von hier hat man einen atemberaubenden Blick, nicht nur auf die Città Bassa, sondern auch auf die Oberstadt. Besonders schön am frühen Abend, bei Sonnenuntergang, oder nachts, wenn die Oberstadt herüber leuchtet. Einen weiteren schönen Ausblick hat man übrigens vom Largo Colle Aperto an der Außenseite der Burg.

Auch wenn die Oberstadt eindeutig das primäre Ziel von Kunstinteressierten ist, lohnt ein Abstecher in die Unterstadt. Die Atmosphäre ist städtisch, lebendig – irgendwie vermisst man aber auch sofort die Ruhe in den Gassen der Oberstadt. Aber: Wer ein wenig Stadtluft schnuppern und auch shoppen möchte, ist hier gut aufgehoben, vor allem an der Viale Papa Giovanni XXIII.

Wer gerne einen echten "Lotto", nämlich einen Lorenzo Lotto (gebürtiger Venezianer und Maler der Hochrenaissance und des frühen Manierismus) sehen möchte, der sollte einen Besuch der Kirche San Bartolomeo einplanen: Hier begeistert das Gemälde "Madonna mit Kind" Kunstinteressierte. Mehr davon, nämlich venezianischer, florentinischer und lombardischer Meister wie u. a. Bellini, Botticelli, Raffael, Lotto, Pisanello, Canaletto, Tizian, Tintoretto und Tiepolo, gibt es in der Accademia Carrara (an der Piazza Carrara) – die allerdings derzeit umgebaut wird und deren beeindruckende Gemäldesammlung erst Ende Jänner 2023 wieder eröffnet wird. Ein weiterer Kunsthotspot ist die GAMeC, Galerie für moderne und zeitgenössische Kunst (Via San Tomaso, 53).

Das Wetter zeigte sich zwar nicht von seiner besten Seite, aber einen Ausflug zum Castello San Virgilio wollten wir uns dennoch nicht entgehen lassen. Mit einem Funicolare (Standseilbahn) geht es vom Largo Colle Aperto hinauf zu den Ruinen des viertürmigen Castellos, das über Jahrhunderte die Residenz mehrerer Herrscher Bergamos war – und von wo sich uns ein spektakulärer Ausblick bietet: nämlich sowohl auf die Oberstadt als auch die Unterstadt Bergamos und bis hinüber zu den Voralpen.

Zu den ältesten Sakralbauten in der Città Alta gehört übrigens die kleine Kirche San Michele al Pozzo Bianco: Sie wurde im Jahr 774 erstmalig erwähnt – und ist ein absolutes Muss für Kunstliebhaber. Denn ausgerechnet der berühmte venezianische Künstler Lorenzo Lotto hat hier ein wunderbares Werk geschaffen, nämlich u. a. einen Freskenzyklus mit Szenen aus dem Leben Mariens, 1525 in der linken Seitenkapelle erstellt. Dieser Bilderzyklus gehört zu den ältesten Fresken in der Provinz Bergamo. Der Kirchenbau selbst stammt aus der Zeit der Langbobarden, wurde aber in den folgenden Jahrhunderten mehrmals umgebaut und restauriert. Vom ursprünglichen Bauwerk sind wahrscheinlich nur noch ein Teil der Krypta, die Außenmauer und wenig anderes erhalten; der Rest wurde im 15. Jahrhundert wieder aufgebaut. Übrigens, Lorenzo Lotto lebte eine Zeit lang im Haus nebenan, in der Casa del Vicario, das heute zum dem naheliegenden Heim der Ursulinen gehört.

Und woher kommt der Name der Kirche? Diesen verdankt sie einem weißen Brunnen, heute zeigt noch ein Stein im Kirchenhof an, wo sich einst die Öffnung dieses Brunnnes befand.

Warum sich Bergamo den Titel "Italienische Kulturhauptstädte 2023" mit dem nahen BRESCIA völlig zu Recht teilt, kann man hier nachlesen.

Unbeauftragte, unbezahlte Werbung. Die Reise erfolgte auf eigene Kosten.

 

gut schlafen

Unsere Wahl zuletzt: Das Hotel Piazza Vecchia – nettes kleines Hotel, direkt in der Altstadt (in der Oberstadt).

Beim nächsten Bergamo-Besuch würde ich mich vermutlich für eines dieser Hotels entscheiden:
Das wäre wohl absolut meins: Das Relais San Vigilio al Castello – altes Gemäuer, modern und stylish ausgestattet, mit schönem Garten und großartiger Aussicht auf Bergamos Ober- und Unterstadt.
Ein kleines Boutiquehotel, in der geschäftigen Città Bassa (Unterstadt) gelegen: Petronilla Boutique Hotel.
Ein toller Ausblick ist jedenfalls garantiert im Le Funi Designhotel in San Vigilio.

gut essen & trinken

Ausprobiert und für gut befunden:
Da Franco – Ristorante, Pizzeria (Via Bartolomeo Colleoni, 8): Nur einen Steinwurf von der Piazza Vecchia entfernt
Da Mimmo – Ristorante, Pizzeria: Alteingesessenes Restaurant im Zentrum der Altstadt, in einem Palazzo aus dem Jahr 1357; Mitglied der Slow Food-Bewegung (Via B. Colleoni, 17)
Cafetteria Bar Botticelli: Nahe der Funicolare Station auf der Piazza Mercato delle Scarpe, mit schönem Ausblick auf die Stadt – nett um auf einen Snack einzukehren
Cafè, Ristorante Baretto di S. Vigilio: Gutes Restaurant nahe dem Castello in San Vigilio, toller Ausblick auf Ober- und Unterstadt von Bergamo (Via Castello 1)

In der Città Bassa lohnt es sich zur Happy Hour in den Cafés an der Piazza Pontida vorbeizuschauen.
Viele kleine Bars gibt es auch in Borgo Santa Caterina.