• Cividale del Friuli
    Friaul-Julisch Venetien

Zuletzt 2022

Achtung, das wird wieder mal eine kleine Liebeserklärung an mein Lieblingsreiseland
Italien – und ganz konkret an Cividale del Friuli: Denn die kleine Stadt an den äußersten Ausläufern der
Julischen Alpen bietet für ihre Größe nicht nur überraschend viele kunsthistorische Highlights, sondern liegt
noch dazu ausgesprochen malerisch am Natisone…

Wann ich das erste Mal in Cividale war, daran kann ich mich ehrlich gesagt gar nicht erinnern; jedenfalls ist es ziemlich lang her. Zurückgekehrt bin ich oft, und gerne, denn es gibt immer wieder neues in dem 11.000-Einwohner:innen-Städtchen zu entdecken. Zuletzt war es ein sizilianisches Restaurant in einer stillen Gasse, in dem wir uns für zwei Stunden doch tatsächlich wie auf unsere Lieblingsinsel gebeamt gefühlt haben.

Aber es gibt ungleich mehr gute Gründe, hier immer wieder mal vorbei zu schauen, vielleicht am Weg in den Süden oder im Rahmen einer Friaul-(Rund-)Reise, bei der Cividale jedenfalls auf der Liste stehen sollte. Kunstgeschichte-Begeisterte sind in Cividale reich bedient, gibt es hier doch gleich zahlreiche Highlights: Vom Dom Santa Maria Assunta über das Museo Cristiano und das Museo Archeologico bis hin zum berühmten Tempietto Longobardo. Aber auch jene, die einfach nur italienisches Lebensgefühl erleben wollen, sind hier gut aufgehoben: Denn es flaniert sich ausgesprochen angenehm durch die schmalen, hübschen Gassen und Straßen, und der Blick von der Teufelsbrücke auf den türkis-grünen Natisone, der durch ein steiles Flusstal mäandert, und die Hügel- und Berglandschaft rund um Cividale ist großartig. Zudem gibt es viele kleine Lokale, in denen es sich bestens Zeit verbringen lässt, ganz abgesehen von den tollen Patisserien, in denen meine süßen Träume mehr als wahr werden.

Er steht ganz zentral und mächtig an der zentralen Piazza del Duomo: Der dreischiffige, außen recht schmucklose Dom Santa Maria Assunta (Mariä Himmelfahrt), der im 15. und 16. Jahrhundert errichtet wurde, auch wenn die Vorgängerbauten an diesem Platz bis in die Zeit der Langobarden zurück reichen dürften. Ein Besuch des Dom-Inneren lohnt jedenfalls, gibt es hier doch Werke, die künstlerisch wie historisch interessant sind, wie z. B. der Altaraufsatz (Silberschmiedearbeit) des Patriarchen Pilgrim II., der den barocken Hochaltar schmückt.  Sehenswert sind auch die Gemälde von Palma d. J. an den Seitenwänden der linken Chorkapelle: „Letztes Abendmahl“ und „Steinigung des hl. Stephanus“. Und noch etwas Spannendes gibt es an der linken Langschiffwand zu entdecken: Ein hölzernes, lebensgroßes Kruzifix aus der (vermutlich) ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Wer den Dom verlässt und gleich links in die Via Candotti einbiegt, der stößt auf das Museo Cristiano, das einige Juwele langobardischer Kunst beherbergt, darunter ein wunderschönes oktogonales Taufbecken (Taubecken des Calixtus, des ersten in Cividale residierenden Patriarchen von Aquilea, in Auftrag gegeben), ein Langobardenthron sowie der berühmte Ratchis-Altar. Gewidmet war dieser Altarblock aus dem frühen Mittelalter Rachtis, der im 8. Jahrhundert eine steile Karriere vom Herzog von Friaul zum König der Langobarden hinlegte, und dann überraschenderweise als Benediktinermönch sein weiteres Leben in Monte Cassino verbrachte. Altar als auch Taufbecken sind übrigens hervorragende Beispiele frühmittelalterlicher Kultur, in sich stilistische Einflüsse aus der Spätantike, Byzanz und dem Orient vermischen. Einen spannenden Einblick in langobardisches Alltagsleben geben im Museum auch Fresken und Darstellungen in Sgraffitotechnik.

Dass es in Cividale so viele Spuren langobardischer Kunst gibt, ist übrigens kein Zufall: Denn das kriegerische Volk war 568 im heutigen Friaul eingefallen und hatte Cividale zur Hauptstadt jenes Herzogtums gemacht, das das erste auf italienischem Boden sein sollte.

Auf Langobarden-Kunst (wobei dieser Begriff etwas irreführend ist, denn mittlerweile ist man sich in der Forschung relativ sicher, dass die Kunst zur Zeit der Langobarden-Herrschaft zwar von den Langbarden beauftragt, aber nur in geringem Maße von ebendiesen selbst geschaffen wurde) stößt man in Cividale noch öfter: So z. B. im Gebäudekomplex des Klosters Santa Maria. Vom Museum Cristiano in der Via Candottio geht es weiter durch die Via Monastero Maggiore zum Gebäudekomplex des Klosters „Santa Maria in Valle“, der am Steilufer des Natisone im alten langobardischen Viertel „Valle“ steht. Im 8. Jahrhundert gegründet, wurde das ehemalige Benediktinerinnenkloster schließlich den Ursulinen anvertraut, die hier eine Mädchenschule betrieben. Mittlerweile kann ein Teil des lange brachliegenden Klosters (Kreuzgang, Refektorium) besichtigt werden – wie auch der Tempietto Langobardo aus dem 9. Jahrhundert, der sich an der Südseite des Gebäudes befindet.

Und an dieser Stelle wird es etwas ungefähr, denn, wozu der sogenannte Tempel ursprünglich wirklich diente und worin seine Ursprünge lagen, das weiß man bis heute nicht wirklich bzw. gehen die Meinungen dazu auseinander. Sicher ist: Die Bezeichnung Tempietto Langobardo ist irreführend, denn es handelt sich nicht um einen Tempel im ureigenen Sinne. Die Vermutung ist, dass dieser Raum, unter welchen Umständen auch immer er entstanden war, vom Kloster als Kapelle genutzt wurde. Aber wie auch immer, eines steht definitiv fest: Der Tempietto Langobardo ist mehr als sehenswert, ist er doch ein außergewöhnliches Beispiel der westlichen Architektur des Hochmittelalters und darüber hinaus ohne Zweifel eines der bekanntesten Bauwerke Cividales. Und darüber hinaus ist dieses Bauwerk, steht man erst mal darin, wirklich überwältigend schön.

Der Tempietto besteht aus einem dreischiffigen Presbyterium mit Tonnengewölbe, von dem man in einen quadratischen Saal mit Kreuzgewölbe (Aula) blickt: Hier sind Fresken, die von byzantinischen Handwerkern hergestellt wurden sowie außergewöhnliche Stuckarbeiten zu sehen. Letztere zeigen in Form von sechs Großreliefs die „Prozession der Jungfrauen und Märtyrerinnen“; weibliche Gestalten in langen Gewändern, vier davon mit Kronen und Kreuzen vor ihrer Brust (und damit als Märtyrerinnen ausgewiesen). Ursprünglich waren alle drei Wände der Aula damit ausgeschmückt, heute sind die Stuckarbeiten nur mehr an der (westlich gelegenen) Eingangswand erhalten. Besonders sehenswert sind auch die Fresken, z. B. jenes, das Christus mit den Erzengeln Michael und Gabriel zeigt (Westportal) wie auch das Chorgestühl, das um 1370 entstanden sein dürfte.

Wer schon mal hier ist, kann auch einen Abstecher zur nahe gelegenen gotischen Kirche SS. Pietro e Biagio machen: Zu sehen gibt es schöne Fassadenfresken (von Anfang des 16. Jahrhunderts), das Innere kann leider nur selten besichtigt werden.

Apropos, auch im Archäologischen Nationalmuseum von Cividale sind zahlreiche langobardische Fundstücke, darunter z. B. der angebliche Sarkopharg des ersten Langobarden-Herzogs von Cividale, Gisulf I., zu sehen. Untergebracht ist das Museum im Palazzo Pretorio (auch als Palazzo dei Provveditori Veneti bekannt) an der Piazza del Duomo; der Entwurf des Palazzo wird übrigens Andrea Palladio, dem bedeutendsten Renaissance-Architekten Oberitaliens, zugeschrieben. Der Grundstein für dieses Gebäude wurde 1565 gelegt, vollendet wurde der Bau allerdings erst 16 Jahre nach dem Tod des Star-Architekten seiner Zeit, 1596. Ebenfalls in diesem Museum aufbewahrt sind Teile der zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehörenden Reichenauer Handschriften (aus dem Kloster Reichenau am Bodensee), welche, aus dem 10. und 11. Jahrhundert stammend, für die hohe Kunst der ottonischen Buchmalerei stehen.

Und damit sind wir wieder im Zentrum der Stadt angelangt: Von der Piazza del Duomo lohnt sich ein Spaziergang entlang des Corso Giuseppe Mazzini, der von Bars und Caffès sowie Boutiquen und vor allem sehr schönen Gebäuden gesäumt ist, wie z. B. dem Palazzo Levrini-Stringher (an der Ecke zur Via Cavour) mit wunderschönen Fresken, mit christlichen und mythologischen Motiven, des venezianischen Malers Marco Bello (aus dem 16. Jahrhundert).

Wer ihn entlang läuft, landet schließlich an der weitläufigen, L-förmigen Piazza Paolo Diacono – der perfekte Ort, um sich in einem der zahlreichen Lokale in den sonnigen Schanigarten zu setzen und ein „Tajut“ (ein Glas friulanischen Weißwein) oder einen Aperitivo zu genießen. Ein Haus sticht an diesem Platz besonders heraus: Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und hat sechs schöne gotische Spitzbogenfenster.

Von der Piazza Paolo Diacono geht es dann noch mal 180 Grad in die andere Richtung: Zurück durch den Corso Giuseppe Mazzini, vorbei am Dom und über den Corso Paolino d`Aquilea zur Teufelsbrücke (Ponte del Diavolo), dem Wahrzeichen der Stadt – nicht umsonst, denn die Brücke, die in großer Höhe über den Natisone führt, ist wirklich beeindruckend und ermöglicht auch einen großartigen Ausblick in beide Richtungen. Dazu gibt es übrigens eine nette Legende, wie so oft in Italien: Einst soll der Teufel diese Brücke gebaut haben, einen Lohn dafür wollte er natürlich auch, nämlich die Seele des ersten Menschen, der die Brücke überqueren sollte. Aber die Bürger:innen Cividales waren schlau: Nach der Fertigstellung der Brücke ließen sie zu allererst einen Hund über die Brücke laufen. Was dann mit dem Hund geschehen ist, ist meines Wissens nach jedoch nicht überliefert. Vermutlich war die Brücke auch schon während der römischen Herrschaft Teil einer wichtigen Straßenverbindung. Im Ersten Weltkrieg wurde sie bei Kämpfen von den Italienern, die damals aus Cividale abrückten, zerstört, danach aber wiederaufgebaut. Heute wie damals fühlt man sich beim Blick auf die Brücke durchaus an ein historisches Gemälde erinnert...

Einen besonders schönen Ausblick auf die Brücke, das Stadtzentrum, den Natisone und die umliegenden Berge hat man, wie es schon der Name sagt, vom Belvedere sul Natisone, hinter der Chiesa di San Martino.

Apropos, wer sich ein bisschen gruseln möchte, der sollte in das Keltische Hypogäum, als römisches bzw. langobardisches Gefängnis bekannt, zum Ufer des Natisone hinuntersteigen und das unterirdische und höhlenartige Gewölbe, das in die Felswand gehauen wurde, besichtigen.

Der Natisone, der in Slowenien als auch Italien verläuft, ist 55 km lang und der wichtigste Nebenfluss des Torre – in diesen mündet er in Trivignano Udinese. Teilweise fließt der Natisone, dessen Wasserstand bei Regen schon mal sehr rasch und auch bedrohlich steigen kann, durch Schluchten.

Und dann meine Empfehlung, wie immer in italienischen Städten: Am besten einfach mal treiben lassen, Google maps oder Stadtplan wegpacken und los spazieren. Zurück findet man ja immer, in so kleinen Städten sowieso, und es lohnt sich so sehr…

Für mich ist es ein Pflichtbesuch in Cividale: Nämlich die Bäckerei Dorbolò unweit des Doms, die zugleich ein Cafè ist. Ein schicker Design-Tempel für Brot und Mehlspeisen, aber, das, was da so äußerst schick präsentiert wird in den Schaukästen aus Marmor und Glas, schmeckt auch außerordentlich gut. Die namensgebende Gubana – ein Kuchen aus süßem Hefeteig, mit Schichten von Trockenfrüchten und Nüssen gefüllt – ist übrigens ein typisches friaulisches Dessert aus dem Gebiet der Valli del Natisone, das traditionell bei großen Anlässen zu Hause zubereitet wird. Diese Spezialität soll vor 1400 Jahren von den damaligen slawischen Einwanderern in diese Region gebracht worden sein. Das Rezept, nach dem die Gubana im Dorbolò heute gebacken wird, haben die Betreiber von ihrer Großmutter geerbt. Traditionell wid die Gubana vor dem Verzehr auch noch in Sliwowitz getränkt – ein weiterer Hinweis zu Herkunft und Geschichte dieser Spezialität. (Dorbolò La Gubana Boutique Largo Boiani, 10 I 33043 Cividale del Friuli)

Lust bekommen auf mehr Sightseeing im Friaul? Hier gibt es einen Blogbeitrag mit vielen Tipps für eine Rundreise durch das hügelige, von Weinbau dominierte COLLIO-GEBIET, mit Stationen in CORMÒNS, GRADISCA D`ISONZO und dem Grenzstädtchen GORIZIA (Görz). Zu GORIZIA gibt es einen weiteren ausführlichen Beitrag und zwar hier.

UDINE, die zweitgrößte Stadt der Region Friaul-Julisch Venetien ist mehr als nur eine Durchreise wert. Was man gesehen haben sollte, dazu gibt es in diesem Blog-Beitrag zahlreiche Tipps.

GUT ESSEN im Friaul, das ist eigentlich leicht, ein paar persönliche Tipps können dennoch nicht schaden: Mangiare bene in Friuli.
SIZILIANISCH ESSEN in Cividale? Aber ja, und zwar großartig - den Tipp dazu gibt es hier.

GUT SCHLAFEN im Friaul - auch dazu gibt es ein paar persönliche Empfehlungen: Viel Design und ein großartiger Pool im Hotel Clocchiatti Next in Udine I Schlossfeeling für Romantiker: Castello di Buttrio in den Colli Orientali I Schlafen mit Weitblick und zwischen den Weinbergen: Relais Russiz Superiore I Und noch einmal richtig gut schlafen mit Weit- und Weinblick: B&B Zuani Casa

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Das ist ein unbeauftragter und unbezahlter Blog-Beitrag. Entstanden aus Liebe zum Friaul und mit ganz viel Herzblut geschrieben...

gut schlafen

Noch nicht selbst ausprobiert, aber irgendwann machen wir hier ganz sicher einen Stopp, denn es sieht maximal entspannt aus: Im Agriturismo Meridiano nahe Cividale. Mit Pool und Blick auf die Weinhänge.