Es begann mit einem flapsig und sehr peripher von mir dahingesagtem „…weißt
du was, bei deinem nächsten runden Geburtstag schauen wir uns ein Match deines Lieblingsfußballvereins an – und zwar dort“. Dort, das ist Turin im italienischen Piemont, denn ebendort ist Juventus beheimatet. Und weil meine Freundin und bewährte Italien-Reisepartnerin mich immer beim Wort nimmt, ging`s dann ein paar Monate
später auch tatsächlich ins Piemont…
Was für ein Glück, dass Barbaras Lieblingsverein Juventus ist – wenigstens also Italien, dachte ich mir, als mir klar wurde, dass ich nun um einen Stadionabend nicht herumkommen würde. Und was für ein Glück, dass es Turin wird, denn Turin habe ich bereits bei zwei früheren Piemont-Reisen kennen- und lieben gelernt. Also drei Tage Kultur und Sightseeing – und zumindest für eine von uns würde das Juve-Match dann das absolute Highlight werden. Vorab sei gesagt: Es ist gar nicht so leicht als Leider-Nein-Italiener:innen ein Ticket für ein Juventus-Match zu ergattern. Es klang immer ein wenig nach Wissenschaft, wenn Barbara mich diesbezüglich auf dem Laufenden hielt. Aber gut, das hatte ich outgesourct, die besten Geburtstagsgeschenke sind bekanntlich jene, die man selbst organisiert.
Dass auch ich sehr gewissenhaft auf diese Fußball-Begegnung vorbereitet werden sollte, das ahnte ich nicht, wurde aber, je näher die Abreise rückte, immer augenscheinlicher. Denn plötzlich erreichten mich per E-Mail über Tage hinweg regelrechte Juve-Dossiers. Welche Pasta ist wessen Spielers Lieblingsspeise, wie lauten Spitznamen und welche Spieler-Frisur ist ein wahres Disaster? In welcher Juventus-Beziehung kriselt es gerade, wer hat Verein-Absprung-Tendenzen, wer ist der absolute Fan-Liebling? Welches Label trägt der Trainer am liebsten, wer ist Torschützenkönig und warum werden die Superfans als „Bucklige“ tituliert?
Und ganz wichtig: Wann wird der Fan-Schal präsentiert (den sie natürlich hat) und wann wird gesungen? Und überhaupt: „Lerne die Hymne bitte auswendig. Zumindest den Refrain! GRAZIE!“. Und übrigens, so meine Freundin: "Ich werde dein Wissen vorab auch ein wenig überprüfen! Sicher ist sicher!" – Na bravo! Sicherheitshalber habe ich die Dossiers mal alle ausgedruckt. In Turin würde ich sie mir dann einfach unter den Kopfpolster legen, dann würde das schon klappen.
Geklappt hat dann jedenfalls nicht alles auf Anhieb am Match-Abend. Die Straßenbahn, die wir für unsere Reise in die Peripherie Turins, in das Allianz Stadion, auserkoren hatten, stand aufgrund einer Baustelle nicht zur Verfügung. Einmal mehr stellte sich heraus, dass uns unsere ganz-ok-Italienisch-Sprachkenntnisse durchaus zum Vorteil gereichten: Mit ein bisschen Mühe, aber doch fanden wir die alternative Tramway, gefühlte 29 Stationen und eine Durchquerung Turins später waren wir am Ziel. (An sich erreicht man in Sachen öffentlicher Verkehr am schnellsten mit der Straßenbahnlinie 9 das Stadion.) Zumindest beinahe, denn dann stand noch ein wenig Fußmarsch durch die von Fabriken geprägte Peripherie am Programm. Was mich ein wenig wunderte: Dass wir gerade mal zu dritt unterwegs waren Richtung Stadion. Bei diesem dann angekommen, war auch dieses Rätsel gelöst: Der Italiener fährt mit dem Auto zum Match. Na ja, was soll man sagen. (Wobei es angeblich von einem der Turiner Bahnhöfe einen Busshuttle zum Stadion gibt, aber irgendwie war es uns nicht gelungen genaue Details dazu herauszufinden.)
Mein Tipp für alle, die ein Juve-Match genießen wollen: Vor Ort gleich mal rausfinden, wie man am schnellsten zum gebuchten Platz und damit dem entsprechenden Sektor kommt und in welche Richtung man damit am besten marschiert. Denn, sagen wir mal so, die Hinweis-Situation rund um das Stadion ist da noch etwas ausbaufähig. D'altra parte! Ganz auf der anderen Seite – ruft uns dann der Ordner zu, den wir endlich an einem Ausgang ausmachen und befragen. Und so kamen wir, als Nicht-Ortskundige, in den Genuss einer gefühlt 45minütigen Umrundung des Stadions. Und ja, das Allianz Stadion, in dem alle Juventus-Heimspiele ausgetragen werden, fasst rund 41.500 Zuschauer:innen und ist somit ziemlich ausladend.
Top organisiert ist hingegen alles, wenn man dann seinen Sektor schließlich gefunden hat. Ein erstauntes „From Austria…?“ haben wir dann bei der Pass-Kontrolle geerntet (alle Tickets sind personalisiert), und zack, dann waren wir nach den Checks auch schon drinnen.
Und ja, kann schon was, dieses Stadion, keine Frage. Hier ein paar schnelle Facts dazu: Eröffnet wurde das Stadion im September 2011, erbaut im Norden von Turin, auf einem Grundstück, auf dem sich zuvor das ehemalige Stadio delle Alpi befunden hatte (das übrigens mit fast 70.000 Plätzen noch größer war). Besonderes Merkmal sind die beiden hohen Pfeiler an der Nord- und Südseite hinter den Toren. Die jeweils 86 Meter hohen, weißen Steher, die über Stahlseile die Dachkonstruktion tragen, sieht man übrigens sogar von diversen Aussichtspunkten im Zentrum der Stadt aus, wie z. B. der Mole Antonelliana. Ist schon etwas anderes als das Stadion im norditalienischen Udine, wo ich vor ein paar Jahren ein Spiel von Udinese gegen Napoli besucht hatte…
Wir sitzen in der Nordkurve und vor uns geht es ziemlich steil hinunter, wie ich finde. Bloss nicht zu weit nach vorne beugen, sage ich mir anfangs beschwörend vor… In der Ecke links von uns dann die Cremonese-Fans, die, in kleiner Zahl anwesend, dafür umso lautstärker ihre Fan-Gesänge vom Stapel lassen. Ja, Cremonese (aus dem norditalienischen Cremona) gilt es heute zu besiegen, und das sollte für Juve kein Problem sein, denn Cremonese grundelt in der ersten Liga irgendwo an der fast letzten Stelle knapp vor dem Abstieg herum. Aber jetzt gilt es erst mal die Hymne zu singen; mit ein wenig Verspätung registriere ich, dass das, was da lauthals gesungen wird, tatsächlich die Hymne ist und singe dafür umso lauter den Refrain mit. “Juve, storia di un grande amore. Bianco che abbraccia il nero. Coro che si alza davvero per te.”
Hast du gesehen, sage ich später zu Barbara, ich habe sogar mitgesungen. Ja, aber zu spät, zu spät hast du damit begonnen, meint sie nur lapidar.
Und dann leben wir mit jeder Faser unseres Körpers mit, springen auf, fluchen auf Italienisch, greifen uns an die Stirn, jubeln, gestikulieren wild, brüllen Spieler-Namen. Erstaunlich, wie schnell man sich da komplett adaptiert an seine Umgebung. Ganz so leicht geht es Juventus übrigens doch nicht vom Fuß, aber immerhin endet der Abend mit einem respektablen 2:0 gegen Cremonese. Zwei weitere Juve-Tore werden nicht anerkannt, warum, das ist von soweit oben und aus der Entfernung gar nicht so leicht auszumachen.
Die Fans sind dann doch halbwegs zufrieden, meine Freundin ist beseelt. Weißt du, sagt sie, es ist so absurd dann plötzlich hier zu sein, wenn man das alles immer im Fernsehen sieht. Schon sehr cool. Und das Stadion ist sooo schön. Und dann wird noch mal gesungen.
Vor dem Stadion wird mir dann auch klar, warum so mancher bereits eine Viertelstunde vor Abpfiff seinen Platz verlassen hat. Wie unhöflich dem Verein gegenüber, hatte ich noch moniert. Aber nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Denn jetzt starten alle gleichzeitig auf den Parkplätzen zu ihren Autos und der Verkehr rund um das Stadion bricht in kürzester Zeit zusammen. Es ist zwar ziemlich viel Polizei vor Ort, aber das Kind ist längst in den Brunnen gefallen, wie man so schön sagt. Denn anscheinend ist die Mehrheit mit dem Auto da, mehr als ein „na ja“ fällt mir da wieder nicht ein dazu. Übrigens, unser Versuch ein Taxi zu dem Brautmoden-Shop gegenüber vom Stadion zu bestellen, scheitert kläglich. Hättet ihr vorbestellen müssen, raunzt die Taxi-Hotline-Dame durch die Leitung und legt auf. Da wir nachts nicht wieder durch die Industrie-Brache wandern wollen, suchen wir uns am Handy eine Ersatzroute per Bus. Ende gut, alles gut, der Bus kam dann irgendwann, nachdem er sich durch das Verkehrschaos rund um das Stadion durchgekämpft hatte, spuckte uns zu Mitternacht nahe der Piazza Castello im Zentrum Turins aus – und 15 Gehminuten später, vorbei an den letzten Sonntagnachtschwärmner:innen an der Piazza Vittorio Veneto, erreichten wir schließlich unser Hotel, das Opera35 Suite & Studio. Mein Tipp an dieser Stelle: Wer nach einem Spiel nicht nachts endlos durch ganz Turin gondeln möchte, der sollte entweder besser als wir herausfinden, von wo die Shuttle-Busse Richtung Stadtzentrum wegfahren oder sich bereits am besten einen Tag vorab ein Taxi vorbestellen, aber für einen Treffpunkt ein wenig abseits des Stadions – denn wie gesagt: Chaos!
Mein Fazit: Muss man ein Juve-Match sehen, wenn in Turin? Muss man nicht, kann man aber durchaus machen, vor allem wenn man Fan italienischen Fußballs ist, so wie ich. Und eine gute Freundin hat, die einen italienischen Fußballverein offensichtlich in- und auswendig kennt und einem somit auch einen Blick hinter die Kulissen des Vereins möglich macht. Und vor allem: Stadion und Atmosphäre sind schon beeindruckend, zweiteres ist wohl auch noch mal was anderes, wenn die Luft brennt, wenn ein stärkerer Gegner als Cremonese am Feld aufläuft…
Weil wir natürlich nicht nur wegen des Juve-Matches in Turin waren, sondern drei Tage lang der Stadt auf den kulturellen Zahn gefühlt haben, gibt es hier einige Turin-Reportagen, sowie einen ausführlichen Hotel-Tipp. Und in welchen Kaffeehäusern man auf jeden Fall vorbei schauen sollte, dafür gibt es hier auch noch ein paar persönliche Tipps:
Die schönsten Aussichtspunkte und Kirchen Turins I Palazzi, Museen und Gärten in Turin I An den schönsten Plätzen Turins und an den Ufern des Po I Turiner Foto-Impressionen
Schöner schlafen in Turin: Hotel Studio Opera35 - suite and studio
Turiner Kaffeehauskultur: Welche Caffès man besucht haben sollte