Bunt ist Gorizia, pastellfarben bunt, entspannt – und ruhig. Zu ruhig? Letzteres
liegt vermutlich daran, dass wir an einem Ostersonntag in der kleinen Grenzstadt am Isonzo unterwegs sind. Atmosphärisch bekomme ich Gorizia also auch bei unserem zweiten Besuch nicht ganz zu fassen. Es wird wohl einen dritten Besuch brauchen, und bei dem steht dann auf jeden Fall auch das unmittelbar benachbarte slowenische Nova Gorica am Programm. Aber jetzt erstmal zurück ins österliche Görz…
Einst gehörte das norditalienische Gorizia zum Habsburgerreich, über vier Jahrhunderte hinweg, und das mit nur wenigen Unterbrechungen. Keine Überraschung also, dass sich die österreichischen Einflüsse auch heute noch in einigen Straßenzügen und Ecken der Stadt an der eleganten Architektur der Stadt ablesen lassen (wobei nach 1918 unter Mussolinis Herrschaft einiges weichen musste und mit typisch faschistischer Architektur ersetzt wurde). Wer durch die Straßen der Stadt spaziert, fühlt sich also an manchen Stellen beispielsweise an das steirische Graz oder andere österreichische Städte erinnert. Ein beliebter Sommerfrischeort war Gorizia (auch als Görz bekannt) in der Monarchie zudem, der Adel verpasste der Stadt den Namen „Nizza Österreichs“ – was wohl dem milden Klima, der sanften, hügeligen Collio-Umgebung und auch der relativen Nähe zum Meer geschuldet war. An Nizza fühlt man sich aber durchaus auch heute noch ein wenig erinnert, am ehesten an die Altstadt Nizzas, dank der vielen, sorgfältig renovierten pastellfarbenen Fassaden mit den schönen Fensterläden. Wer heute in Gorizia unterwegs ist, hört zwar vorrangig Italienisch, aber auch friulische und slowenische Sprachfetzen. Ein Spracherbe, das die Stadt bis heute mit sich trägt, wurde es doch überr Jahrhunderte hinweg nicht nur durch die deutsch-österreichische Kultur, sondern auch durch die slowenische und italienisch-venezianische Kultur geprägt, ähnlich wie das nahe Triest.
Wer Gorizia besucht, der sollte auf jeden Fall dem Duomo Santi Ilario e Taziano einen Besuch abstatten: Obwohl er an der zentralen Piazza Cavour liegt, wirkt er fast so, als wolle er sich dort ein wenig verstecken. Erstmals erwähnt wurde eine Kirche an dieser Stelle 1296, über die Jahrhunderte folgten zahlreichen Umbauten. Ab 1688 wurde das Mittelschiff im gotischen Stil abgerissen, stattdessen wurde eine dreischiffige Kirche errichtet. Nach den schweren Beschädigungen durch die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs erhielt der Dom eine typisch italienisch anmutende klassizistische Fassade. Wer das Innere dann betritt, der hat nicht unbedingt das Gefühl in einer typisch italienischen Kirche gelandet zu sein, es könnte auch eine Kirche im europäischen Alpenraum sein: Diesen Eindruck vermitteln einem der üppige Stuck aus dem frühen 18. Jahrhundert genauso wie die massiven Säulen und das gotische Rippengewölbe im Chor. Schönen Barock findet man in der Cappella Sant`Anna (links vom Chor). Beeindruckend sind auch die zahlreichen Grabplatten, die im Boden und an den Wänden eingelassen sind; besonders schön der Grabstein Leonhards, des letzten Grafen von Görz, der im Jahr 1500 auf seinen Besitzungen in Lienz starb und dort auch begraben ist.
Macht man sich vom Dom zur Burg, dem Castello in der Oberstadt, auf, kommt man an einem berühmten Sohn der Stadt vorbei: Die Statue des Philosophen, Zeichners und Malers Carlo Raimondo Michelstaedter (1887-1910), der mit nur 23 Jahren (durch Selbstmord) verstarb, wurde 2010 anlässlich seines 100. Todestages errichtet. Michelstaedter wuchs als viertes und jüngstes Kind einer wohlhabenden italienischen Familie deutsch-jüdischer Herkunft in Görz auf. Obwohl sein Leben so kurz war, schuf er eine große Anzahl von Schriften, Bildern und Zeichnungen; diese wurden nach seinem Tod von Freunden und Verwandten zusammengetragen und veröffentlicht. Seine Diplomarbeit mit dem Titel „La persuasione e la rettorica“ („Überzeugung und Rhetorik“) gilt bis heute als ein Schlüsselwerk des Gedankens des 20. Jahrhunderts. Heute befindet sich sein Nachlass in der Biblioteca Civica in Gorizia.
Sie thront mächtig und trutzig über dem Stadtzentrum: die mittelalterliche Burg, die einst von den Habsburgern erweitert worden war. Nach dem Tod des letzten Grafen und Reichsfürsten von Görz, Leonhard, im Jahr 1500, ging die Burg in den Besitz von Kaiser Maximilian I. von Habsburg über. Aber bereits 1508 verlor er die Festung wieder und das Territorium gelangte zwischenzeitlich, für 13 Monate, in die Hände der Republik Venedig, wurde dann aber wieder habsburgisch. Die weitere Geschichte wie auch Baugeschichte des Castello gestaltete sich abwechslungsreich: Einiges wurde in den folgenden Jahrhunderten baulich verändert, die Burg diente zwischenzeitlich (im 17. Jahrhundert) als Kaserne bzw. Gefängnis, im 1. Weltkrieg wurde die Festung bei Bombardements massiv beschädigt. Heute befindet sich in der Burg das Mittelalter-Museum von Görz – und wer hier heraufsteigt, genießt auch einen tollen Blick auf die Stadt.
Wenn man durch das Borgo Castello, die Oberstadt, zur Festung hinauf wandert, passiert man gleich drei Museen: Das Museo della Grande Guerra (das sich u.a. mit den Isonzo-Schlachten im Ersten Weltkrieg beschäftigt), das Museo della moda e delli arti applicate (das die Geschichte der Mode, Stofferzeugung und Seidenproduktion in der Region erzählt) und das Museo di Storia e Arte (Geschichte und Kunst).
Aber zurück in die Unterstadt: Durch die Via Guglielmo Marconi bzw. die Via Gabriele d`Annunzio kommen wir zur schmalen Via Rastello, teilweise mit Laubengängen, durch welche es sich gut zur Piazza della Vittoria flanieren lässt: Ein schön restauriertes historisches Gebäude (zumeist aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert stammend) reiht sich in der ruhigen Gasse an das nächste, zumeist in hübschen Pastell- und Zuckerlfarben. Jahrhundertelang war die Via Rastello die wichtigste Handelsachse der Stadt, mit zahlreichen Handels- und Handwerksbetrieben. Wer mit einem aufmerksamen Auge unterwegs ist, wird auch heute noch (zum Teil österreichische) Spuren aus vergangenen Zeiten entdecken, in Geschäftsportalen und auf Geschäftsschildern – so z. B. am Geschäftsportal von Krainer & Comp. Prominenten Besuch gab es einst im Haus Nr. 61: Hier soll 1519 Kaiser Karl V. übernachtet haben. Ein wenig verschlafen wirkt die Straße heute, in der auch einige Geschäftslokale leer stehen – wobei, wir sind hier eben auch an einem ruhigen Ostersonntag unterwegs.
Schließlich landen wir an der zentralen Piazza della Vittoria, die eigentlich etwas außerhalb des ältesten Ortskerns liegt: Wer hier steht, hat einen guten Blick hinauf zur Burg, dem Castello. Ebenfalls nicht zu übersehen: Die architektonisch bedeutende Jesuiten-Kirche Sant`Ignazio, zwischen 1654 und 1747 erbaut, mit ihrer imposanten barocken Fassade – mit den drei Heiligen St. Ignatius, Johannes der Täufer und Joseph – und den hoch aufragenden Glockentürmen mit Bronzezwiebelhauben, die an österreichische bzw. süddeutsche Kirchenarchitektur erinnern. Wir warten im Cafè Vittoria auf der Piazza ab, bis die österliche Sonntagsmesse vorbei ist, die Menschen strömen durch das Kirchenportal auf den sonnigen Platz. Ein paar ältere Damen kommen uns entgegen und grüßen uns freundlich, „volete un po' di pane santo?“, fragen sie uns („Wollen Sie ein wenig heiliges Brot?“) und drücken uns sogleich in Zellophanfolie verpackte geweihte Striezelstücke in die Hand. „Grazie“, entgegen wir ein wenig verdutzt und stecken die Päckchen ein. (Und wie dankbar sollten wir dann am selben Abend des Ostersonntags sein, dass wir dieses „Brot“ haben, denn unsere Suche nach einem geöffneten Restaurant nahe unserem B&B Zuani Casa scheint zuerst fast aussichtslos und wir überlegen schon die harten Eier des Osterfrühstücks und die Striezel-Spenden der Damen in Gorizia in ein Abendessen umzumünzen…).
Ein Besuch der Kirche Sant`Ignazio ist jedenfalls lohnenswert, denn wie so oft verstanden sich die Jesuiten auch hier auf eine beeindruckende Gestaltung: Aufwändige Marmordekoration, Holzschnitzereien und zahlreiche Intarsien aus dem 17. Jahrhundert gibt es hier zu sehen. Sehenswert auch der Hauptaltar, geschaffen von Pasquale Lazzarini, mit den Statuen der vier Evangelisten, der Jungfrau mit Kind, sowie den Heiligen Stanislao Kostka, Francesco Borgia, Francesco Saverio und Luigi Gonzaga. Ein schönes Beispiel für architektonischen Illusionismus findet man hier auch: Nämlich das Fresko hinter dem Altar, mit der Glorie des Hl. Ignatius, ein Werk von Cristoph Tausch, einem Tiroler Architekten und Maler – die Fassade der Kirche ist übrigens auch sein Werk.
Sehenswert auch die je drei seitlichen Kapellen imposanten Altären aus vielfarbigem Marmor: Sie wurden von einigen der wichtigsten Adelsfamilien der Stadt gestiftet, darunter die Familien Cobenzl, Della Torre und Strassoldo. Ein weiteres Highlight dieser Kirche ist die Kanzel in weißem Carrara-Marmor und grünem, sizilianischem Marmor.
Schließlich umrunden wir noch den barocken Neptun-Brunnen auf der Piazza della Vittoria, 1756 vom Bildhauer Marco Chiereghin errichtet. Die Zeichnungen dazu stammen von dem österreichisch-italienischen Architekten Nicolò Pacassi, der u. a. den Generalumbau von Schloss Schönbrunn in Wien (1743-1749) und den Bau des Schlosstheaters in Schönbrunn verantwortete.
Vom Neptun-Brunnen lassen wir uns Richtung Via del`Arcivescovado treiben, die wenig später in die Via Giosuè Carducci mündet. Linkerhand, an der Piazza Edmondo de Amicis ist dann der imposante Palazzo Attems-Petzenstein aus dem 18. Jahrhundert nicht zu übersehen: In diesem ebenfalls von Architekt Nicolò Pacassi für Graf Attems-Petzenstein erbauten Palais befindet sich heute eine Pinakothek mit Kunst des 17.-19. Jahrhunderts. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Palazzo neoklassizistisch umgebaut, die ursprüngliche Fassade lässt sich nicht mehr erahnen. Gut zu erkennen sind die sieben Statuen an der Fassade, Figuren aus dem Olymp, geschaffen von Giovanni Battista Mazzoleni, einem Bildhauer aus Bergamo. Besonders schön sein soll auch der Innengarten im italienischen Stil, mit einem Herkulesbrunnen; da der Palazzo an jenem Ostersonntag geschlossen war, steht ein Besuch von Palazzo und Garten beim nächsten Mal fix am Programm.
Und was gibt es zu sehen im Palazzo Attems-Petzenstein? Werke von Meistern des venezianischen 18. Jahrhunderts, darunter zahlreiche Porträts des 19. Jahrhunderts und eine Sammlung von Werken des 20. Jahrhunderts (u. a. von Italico Brass, Luigi Spazzapan, Tullio Crali und Vittorio Bolaffio). Aktuell (bis 4. Mai 2025) ist im Rahmen des Kulturhauptstadt-Jahrs eine Ausstellung mit 180 Werken der Popart-Ikone Andy Warhol zu sehen: „Andy Warhol: Beyond Borders“.
Danach lassen wir uns einfach etwas durch die Stadt treiben: Auch wenn Görz nicht eine Stadt der großen Sehenswürdigkeiten ist, so entdecken wir viele schöne Details – von wunderschön restaurierten Hausfassaden und detailreich geschmiedeten Balkongeländern über schöne Fenster und mächtige Haustore bis hin zu hübschen Geschäftsschildern. Bei unserem Spaziergang kommen wir unter anderem auch an der Piccola Gerusalemme sull`Isonzo, der 1756 erbauten und 1969 aufgelösten Synagoge in der Via Ascoli vorbei; heute befindet sich darin ein Museum der jüdischen Kultur in Gorizia.
Was gibt es noch zu sehen in Gorizia? Die Piazza Transalpina – ein ganz wesentlicher Ort der Geschichte der Stadt. Der Platz, nördlich vom Zentrum gelegen, bildet die Grenze zum benachbarten Slowenien, und vor allem der slowenischen Nachbarstadt Nova Gorica. Gemeinsam wurden Gorizia und Nova Gorica 2025 zu Europas Kulturhauptstadt 2025 ernannt, eine Premiere übrigens, dass zwei Städte unterschiedlicher Länder sich gemeinsam als Kulturhauptstadt präsentieren, passenderweise unter dem Titel "go borderless".
Kurzer geschichtlicher Rückblick: Bis 1918 gehörte Gorizia (damals als Görz bekannt) zu Österreich-Ungarn. Das änderte sich nach dem 1. Weltkrieg, die Stadt fiel an Italien. Ein weiterer Einschnitt folgte nach dem 2. Weltkrieg: Die neu gezogene Grenze führte dazu, dass Gorizia sein Hinterland verloren ging. Was dies ganz konkret bedeutete? Dass eine Stadt gleichsam in zwei Hälften geteilt wurde. Straßen, Gebäude, Höfe und damit auch ganze Familien wurden getrennt. Kaum vorstellbar. Auf der slowenischen Seite wurde Ende der 1940er Jahre quasi am Reißbrett eine neue Stadt, Nova Gorica, entworfen und aus dem Boden gestampft, die typisch sozialistischen Wohnblocks zeugen u. a. bis heute davon.
Wer heute auf diesem Platz steht, kann es sich kaum mehr vorstellen, aber lange Jahrzehnte, während des Kalten Krieges, waren die beiden Städte getrennt, politisch-ideologisch und damit auch physisch. Der gemeinsame Titel soll nun zeigen, wie sehr man zusammengewachsen ist, wie gut das grenzüberschreitende Zusammenleben und das Miteinander funktioniert und wie stark sich auch der kulturelle Austausch mittlerweile entwickelt hat. Verlief bis 2004 (bis zum EU-Beitritt Sloweniens) genau durch die Platzmitte die Grenze (woran heute noch eine in den Boden eingelassene Metallplatte erinnert), so sind Goricia und Nova Gorica heute eng miteinander verbunden und stellen dies im Rahmen der noch einmal mehr intensivierten Partnerschaft rund um den gemeinsamen Titel Kulturhauptstadt 2025 unter Beweis.
Wem GÖRZ gefallen hat, der wird sich auch für das nahe GRADISCA D`ISONZO und das Weinbau-Städtchen CORMÒNS begeistern können. Hier gibt es dazu einen ausführlichen Blog-Beitrag.
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Dies sind allesamt unbeauftragte und unbezahlte Blog-Beiträge. Sie enthalten persönliche Empfehlungen und sind mit viel Herzblut verfasst.
destination
Das Collio-Gebiet
Sie grenzt direkt an die Colli Orientali del Friuli: die sanfte, hügelige, von Weinbau dominierte Landschaft des Collio. Aber auch wenn man das Collio-Gebiet auf den ersten Blick vor allem in Norditalien verorten mag: Nur ein Drittel dieses Gebiets liegt in Italien, der Rest in Slowenien, nämlich der slowenischen “Brda”.
Wer die Weine der Region kennenlernen will, der orientiert sich am besten an der Strada del Vino del Collio, an der zahlreiche Weingüter liegen. Die Weine, die hier erzeugt werden, profitieren von den hervorragenden klimatischen Rahmenbedingungen der Region. Berge und Meer agieren hier in perfektem Zusammenspiel: Die Julischen Voralpen schützen die Weinreben vor kalten Winden, das nahe Adria-Meer mindert die jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen und sorgt für ein mildes, gemäßigtes Klima. Und dass die meisten der Weinhänge Richtung Süden liegen, wirkt sich zusätzlich positiv aus. Das Resultat: Kräftige, mineralische Weine. Spezialisiert ist man im Collio vor allem auf Weißweine: Friulano, Ribolla Gialla, Pinot Grigio und Sauvignon.
Lesetipp
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