• Lecce – wo der Barock Kapriolen schlägt...
    Wiedersehen mit Apulien I Teil IV

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Juni 2019

Wie könnte man nach Apulien reisen, ohne Lecce einen Besuch abzustatten?
Der Barock-Stadt aus hellem Tuffstein, die im Abendlicht so wunderbar golden leuchtet
und pure Lebensfreude ausstrahlt...

Es fällt uns also gar nicht so schwer uns von unserem wunderbaren Pool in Otranto loszureissen: 40 Minuten Fahrzeit und wir finden uns downtown in Lecce wieder, am späten Nachmittag, bereit für einen kleinen Barockmarathon. Denn Barock gibt hier den Ton an und auch ein bisschen Rokoko. Aber bevor wir uns eine weitere Dosis Barock abholen, machen wir einen Stopp im Lecce des 2. Jahrhunderts vor Christi: Das römische Amphietheater an der Piazza Sant‘Oronzo, mitten im Zentrum der Altstadt, war lange in Vergessenheit geraten, in den 1930er Jahren wurde dann mit Ausgrabungen begonnen. Heute sind rund zwei Drittel der Arena frei gelegt, die damals Platz für an die 25.000 BesucherInnen geboten hatte und zur Unterhaltung der römischen Garnisonen, die in der Umgebung stationiert waren, diente. Wir staunen, dass ein Bauwerk dieser Größe so lange Zeit unentdeckt geblieben war, aber zahlreiche Erdbeben und Zerstörung durch kriegerische Auseinandersetzungen haben das Theater im Lauf der Jahrhunderte unter Trümmern verschwinden lassen. Heut finden hier immer wieder Konzerte oder Theateraufführungen statt.

Die Piazza Sant`Oronzo, wo sich auch das alte Rathaus, die Kirche San Marco sowie Kirche Santa Maria delle Grazie befinden, ist ein auch ein bisschen das Wohnzimmer der Stadt: Hier trifft man einander, plaudert, trinkt ein Glas zusammen, zieht weiter. Und auch wir ziehen weiter...

Wir flanieren die Via Vittorio Emanuele II entlang und machen einen Abstecher in die Chiesa San Irene, jene Kirche, die der heiligen Irene von Lecce gewidmet ist und uns mit ihrem blauen Kirchentor schon von weitem entgegen leuchtet. Einst war sie die Schutzpatronin der Stadt, zumindest bis 1656, bis Papst Alexander VII. den heiligen Bischof St. Oronzo als neuen Schirmherren der Stadt wählte. Und schon war es vorbei mit Irenes Position. Die Kirche ist auf jeden Fall einen Besuch wert, nicht nur, weil hier 1860 ein wichtiges geschichtliches Ereignis stattfand, nämlich jene Volksabstimmung, bei der es darum ging, ob Lecce dem Königreich Italien beitreten soll.

Und dann hat er seinen Auftritt: der Dom – und was für einen Auftritt, an der großen Piazza del Duomo, die interessanter Weise über nur einen einzigen Zugang verfügt. Aber er präsentiert sich hier nicht alleine, denn ein mächtiges Barockensemble hat sich zusammengefunden: Der Dom (bzw. Kathedrale) mit Glockenturm, rechts davon gelegen der beeindruckende Palazzo del Seminario, das Priesterseminar, und der Palazzo del Vescovo, der bis heute Sitz des Bischofs ist. Bereits seit dem 12. Jahrhundert stand hier eine Kirche, die alte Kathedrale wurde jedoch im 17. Jahrhundert durch eine neue im Stil des Barocks von Architekt Giuseppe Zimbalo ersetzt. Nicht zu übersehen und ganze 68 Meter hoch ist der Glockenturm neben der Kathedrale, mit umlaufenden Balkonen auf fünf Stockwerken. Einen großartigen Ausblick muss man von da oben haben...

Was für einen guten Zeitpunkt wir erwischt haben, denn die Abendsonne sucht sich gerade ein letztes Mal ihren Weg über das Dach des Palazzo des Seminario und taucht die Piazza in ein warmes, gelbes Licht. Wieder so ein Moment, den man im Kopf abspeichert und nicht vergessen wird. Klick. Und dann schaue ich hinauf zu den Terrassen der Häuser auf der anderen Seite der Piazza: Da oben aufwachen, frühmorgens, die Terrassentüren weit öffnen, hinunter schauen, auf die Piazza, die dann vermutlich nur mir ganz alleine gehören würde... 

Bevor die Kathedrale Maria Santissima Assunta für heute ihre Pforten schließt, wollen wir aber unbedingt noch einen Blick hinter die Fassaden werfen, von denen es zwei gibt: Die schlichtere Hauptfassade und die Seitenfassade, die mit üppigen barocken Verzierungen besticht – das Auge weiß gar nicht wohin es zuerst wandern soll zwischen all diesen Skulpturen von Cherubinen, Grotesken und Heiligen. Dahinter geht es mindestens genauso prunkvoll zu, im Innenraum des Doms warten zahllose Gemälde und reich verzierte Altäre auf uns und on top eine beeindruckende Krypta aus dem 16. Jahrhundert.

(Der Eintritt in den Dom ist kostenpflichtig, Tickets gibt es im Eingangsbereich des Priesterseminars gegenüber, mit dem Ticket können auch die Ausstellung im Diözesanmuseum im Palazzo del Seminario und die Basilica Santa Croce besucht werden.)

Er liegt an der Nordwestseite der Piazza del Duomo: Der beeindruckende Barockpalast von Giuseppe Cino, der das Priesterseminar beherbergt, mit eleganten Fenstern und einer kleinen Loggia über dem Haupteingang. Ebenfalls darin untergebracht ist das Diözesanmuseum für sakrale Kunst, zu sehen sind hier antike Gemälde, Holzskulpturen und vieles mehr. Da der Besuch des Museums im Eintrittspreis für den Dom inkludiert ist, steigen wir die Treppen hinauf und machen einen schnellen Rundgang. Beeindruckende Werke warten hier auf die Besucherinnen, aber uns ist es heute einfach zu heiß, die Hitze hat sich regelrecht eingenistet in den Räumlichkeiten hier oben und wir schlendern danach lieber noch durch den die Arkadengänge im Innenhof und sehen uns die Kapelle an, die sich dort befindet. Keinesfalls sollte man den wunderschönen Brunnen im Innenhof links liegen lassen, der ebenfalls von dem italienischen Baumeister Giuseppe Cino entworfen wurde. Einen Moment lang stellen wir uns den reichverzierten Brunnen in unserem eigenen Innenhof in Wien vor, ja, das könnte was...

Als wir durch die Straßen Lecces laufen, muss ich an die Fotos meiner Eltern denken, die sie während unseres ersten Apulien-Besuchs in den 80er Jahren gemacht hatten: Beeindruckend war die Stadt auch damals, aber es war eine herabgekommene, schäbige Grandezza, die sich Straße für Straße durch die Stadt zog. Nicht wieder zu erkennen ist die Stadt heute: Die meisten Fassaden mit ihrer großen Vielfalt an Formen und Figuren sind sorgfältig renoviert, zumindest im Altstadtzentrum. Bars und Restaurants reihen sich aneinander, dazwischen kleine Geschäfte. Die Stadt wirkt fröhlich, lebendig, lebensfroh, zumindest hier im Zentrum.

Wahrscheinlich ist das auch dem wunderbaren Licht geschuldet, die Sonne lässt die Tuffsteinfassaden geradezu leuchten und spiegelt sich in den hohen Fenstern der Häuser wider. Immer wieder kommen wir an üppig blühenden Oleanderbäumen vorbei, die ebenfalls in der Abendsonne zu glühen scheinen. Es macht Spaß durch die Straßen dieser 95.000-Einwohner-Stadt zu laufen – und dann gleitet eine Frau in einem leuchtend gelben Plissee-Rock an uns vorbei: perfekt für diese Stadt und ihr Licht...

Bevor wir uns auf die Suche nach einem Restaurant machen, steht noch das Barockjuwel schlechthin auf unserer Liste: die Basilika Santa Croce. Aber davor werfen wir noch einen Blick auf den Palazzo dei Celestini, der im 17. Jahrhundert unter Giuseppe Zimbalo erbaut wurde und direkt an Santa Croce anschließt. Die Sonne wirft noch einmal mit ihrer ganzen Kraft Licht auf den Palazzo, einmal mehr beeindruckender Barock. Heute ist darin der Regierungssitz der Provinz untergebracht und es lohnt sich auch ein Blick in den Innenhof des Palazzo.  

Nun stehen wir vor der Basilika Santa Croce, dem bedeutendsten Beispiel für den berühmten Lecceser Barock. Und das ist tatsächlich unübersehbar – normalerweise, denn ausgerechnet jetzt ist die Fassade der Kirche wegen Restaurierungsarbeiten verdeckt. Immerhin mit einer originalgetreuen Abbildung der Fassade: Säulen und ein Balkon mit Balustraden, zahlreiche Reliefs und Skulpturen finden sich hier. Das absolute Prunkstück ist aber die Fensterrosette, die besonders reich verziert ist und die Fassade fast ein wenig dominiert.

Ein Kirchenbau befand sich an dieser Stelle bereits seit dem 14. Jahrhundert, Mitte des 16. Jahrhunderts wurde mit dem Bau der heutigen Kirche begonnen, deren Fertigstellung allerdings fast 150 Jahre auf sich warten ließ. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Santa Croce von Papst Pius X. zur Basilika erhoben. 

Warum Santa Croce als Barockjuwel gilt, wird auch klar, wenn man das Innere der Kirche betritt: Zu Stein gewordener Barock in jedem Winkel der Kirche, der allerdings – und das ist ja ungewohnt für Barock – fast ein wenig nüchtern herüberkommt. Besonders beeindruckend ist jedenfalls der Altar von San Francesco di Paola, der mit zwölf Reliefs dekoriert ist und das Leben des Heiligen darstellt. Und dann sollte man unbedingt noch einen Blick nach oben werfen, auf die wunderschöne Kassettendecke. 

In der Via Umberto haben wir dann die Qual der Wahl, denn ein Lokal reiht sich an das andere – wir entscheiden uns für das "Shui". Und ich bilde mir ein, dass sich die Abendsonne jetzt auch ein wenig in meinem Rosè-Glas spiegelt. Auf der Piazzetta Castromediana finden wir schließlich die Osteria Il poeta contadino: Über uns, am sich langsam einfärbenden Abendhimmel kreisen die Schwalben, unermüdlich, vor uns wartet ein gutes Essen. Um uns herum flanieren die Menschen, ganz Lecce scheint unterwegs zu sein...

Als wir uns auf den Weg zu unserem Auto machen, stehen schräg gegenüber in einem Lokal, vor der beleuchteten Fassade einer Kirche, Menschen dicht gedrängt zusammen und trinken noch ein Glas. Ihr Lachen bricht sich an den umliegenden Hausmauern und wir stehen einen Moment da und schauen hinüber. Sollen wir....? Aber nein, wir müssen ja noch nach Otranto zurück fahren. Aber: Lecce, du warst gut zu uns und wir kommen wieder, versprochen. 

destination

Lecce ist die Hauptstadt der Provinz Lecce auf der Halbinsel Salento in Apulien und wird vielfach als Barockjuwel bezeichnet. Kein Wunder, begegnen einem doch auf Schritt und Tritt üppige barocke Fassaden, viele davon –  zumindest im Altstadtzentrum – sorgfältig restauriert. Die Top-Sehenswürdigkeiten sind das Barockensemble an der Piazza del Duomo – Dom, Palazzo del Seminario und Palazzo del Vescovo –, die Basilica di Santa Croce, das Anfiteatro an der Piazza Sant`Oronzo und die Porta Napoli. Nicht zu übersehen: Lecce ist als Universitätsstadt auch eine sehr junge Stadt. 

gut essen & trinken

In der Via Umberto reiht sich eine Bar, ein Cafè an das andere. Unsere Empfehlung für einen Aperitif: Das "Shui" in der Via Umberto I 21 A, Negroni als auch Rosè waren genau die richtige Wahl. 

Art - Drinks - Food und viel fesches Ambiente: Für einen Besuch im "Galleria" (Via Umberto I, 24) fehlte uns die Zeit, beim nächsten Besuch steht es fix auf der to do-Liste. 

Lecce bietet eine Vielzahl an Restaurants, wir haben hier gut gegessen: Osteria il poeta contadino auf der Piazzetta Castromediano, 12.