• Milano, die vielseitige Metropole (I)
    Mailand I Italien

Zuletzt im Frühjahr 2024

Liebe auf den ersten Blick war das nicht mit mir und Mailand, das sei ganz
ehrlich gesagt. Als grau, dunkel, zu groß habe ich die Hauptstadt der Lombardei in den 90ern empfunden, ein bisschen verloren habe ich mich in der norditalienischen Metropole gefühlt. Aber dann kam ich zurück, viele Jahre später, und entdeckte das neue, vielseitige Mailand: Mit liebevoll renovierten Gebäuden, mit gefühlt viel mehr Farbe, mehr Grün, mehr Leben. Und einem riesigen Angebot an Kultur. Beim vierten Besuch war es dann schon längst Liebe...

Und dennoch: Mailand ist eine Stadt, mit der man Schritt halten muss. Das merkt man schon auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt, wenn man ein Taxi nehmen muss, weil die Bahn wieder mal streikt und die Flughafenbusse gnadenlos überfüllt sind. Schrecklich, sagt Raffaele, der sympathische Taxifahrer aus dem nahen Pavia, hier haben es alle eilig: Die Autofahrer:innen, die Fußgänger:innen, alle sind so schrecklich geschäftig. Und dann seufzt Raffaele tief. Und ja, er hat nicht Unrecht, man muss Schritt halten, mit der Stadt und ihren Bewohner:innen, wenn sie durch die Straßen der Innenstadt eilen, oft ausnehmend fashionable gekleidet, denn ja, man lebt nicht umsonst in der Wirtschafts- und Fashion-Metropole Italiens. Mailand, das ist ein bisschen Sinnesüberflutung, mit beeindruckend schöner Architektur, vielen Menschen, viel Mode, viel Kunst, von vielem viel. Man taucht ein in die Stadt und irgendwann viel später wieder auf, ein bisschen erschöpft, von all dem, was da auf einen eingestürmt ist. Mailand nimmt einen auch ein wenig mit, aber im positiven Sinne.

Was kann man noch über Mailand schreiben, was nicht andernorts schon vielfach geschrieben wurde? Vermutlich nicht viel. Und so ist dieser Blog-Beitrag ein bisschen eine Liebeserklärung an meine Lieblingsplätze in Mailand. Nicht mehr – aber auch nicht weniger…

Der Dom: Hausherr und Zuckerbäckerwerk
Man muss ihn einfach gesehen haben und übersehen kann man ihn ohnehin nicht, steht er doch dominant im Herzen der Stadt: Der Dom von Mailand (Duomo di Milano), dessen Grundsteine 1386 gelegt wurden und der mit rund 158 Metern Länge, ca. 93 Metern Breite, einer Höhe von etwa 47 Metern und einer Grundfläche von rund 11.000 Quadratmetern zu den größten Kirchen der Welt zählt. Wie ein etwas irreales Zuckerbäcker-Werk nimmt er sich an sonnigen Tagen aus, hell leuchtend dank dem weißen (Candoglia-)Marmor, filigran, in den Himmel strebend – und von Menschenmassen umspült. Selten sieht man ihn ohne Menschenmassen, vermutlich müsste man dafür sehr früh am Morgen oder spätnachts an der Piazza del Duomo vorbeischauen. Welch Glück, wenn wie bei unserem Besuch zuletzt der gesamte Domplatz aufgrund einer EU-Konferenz gesperrt wird: Dann steht er plötzlich frei da, ganz stolz, dass er sich die Menschenmassen für eine kurze Zeit so gut vom Halse hält. Und man nimmt ihn plötzlich ganz anders wahr, in all seiner Eleganz und Pracht, er ist nun unbestritten der Herr der Piazza. Bevor ihn dann tags darauf die Menschenmassen wieder in ihren Besitz nehmen. Eines steht jedenfalls fest: Wer ihn nicht gesehen hat, war auch nicht in Mailand.

Ja, die Menschenschlangen sind oft lang. Sehr lang. Aber ein Besuch des Dominneren und auch der Dom-Dachterrassen lohnt sich einfach. Also heißt es entweder anstellen (und das kann auch schon mal eine Stunde oder mehr in Anspruch nehmen) oder noch besser im Vorhinein bereits online Tickets kaufen dafür. (Wer so gar nicht für anstellen zu haben ist, der kann auch ein Ticket für die Fast Line vorab kaufen.) Erst mal oben angekommen (über die Treppen oder mit dem Lift), weiß man, wofür man die Mühen auf sich genommen hat. Das Gefühl sich auf dem Dach einer der größten Kirchen der Welt zu bewegen ist schon ein besonderes, der Ausblick auf die Stadt ist ebenso beeindruckend, und bei gutem Wetter kann man von hier aus bis zu den Alpen und zum Apennin sehen. Ein bisschen hat man das Gefühl hier in einem steiernen Garten spazieren zu gehen, zwischen filigranen Turmspitzen und angeblich an die 3500 Figuren. Nicht zu übersehen die Madonnina (kleine Madonna, wie sie von den Mailändern liebevoll genannt wird) auf der zentralen Turmspitze: Über 4 Meter groß und vergoldet ist diese Marienstatue.

Auch das fünfschiffige und imposante Dom-Innere sollte man nicht verpassen: Wunderschön z. B. die mehr als 50 Glasfenster aus dem 15. Jahrhundert (nördliches Querschiff) mit den bunten Mosaiken. Was gleich ins Auge springt: Der schöne Fußboden – der ab Ende 1585 gelegt, aber erst Mitte des 20. Jahrhunderts fertiggestellt wurde. Etwas gruselig, aber dennoch beeindruckend finde ich die Statue des gehäuteten heiligen Bartholomäus (aus dem Jahr 1562), einem der 12. Apostel, der grausam zu Tode gekommen ist, weil er dem christlichen Glauben nicht abgeschworen hatte. Es gibt sie nicht in vielen Kirchen, aber im Mailänder Dom ist sie besonders schön zu erkennen: Die Meridianlinie aus Messing, die in den Boden eingelassen ist und genau in Richtung des örtlichen Meridians verläuft. Durch ein kleines Loch im Gewölbe fällt das Licht der Sonne auf diese Linie und bildet einen kleinen Lichtfleck auf dem Boden. (Wer mehr darüber erfahren will, findet auf der Website des Museo Astronomico di Brera interessante Details dazu.) Sie hatten über zwei Jahrhunderte lang viel zu sagen in Mailand: Die Visconti. Die sterblichen Überreste von Ottone Visconti wurden nach seinem Tod in einen beeindruckenden Sarkophag gelegt, der von zwei roten Marmorsäulen getragen wird. Mit genug Zeit im Gepäck sollte man nicht auf einen Abstecher zu den archäologischen Ausgrabungen im ehemaligen Baptisterium vergessen. (Öffnungszeiten Dom: Montag bis Sonntag, 9:00-19:00 Uhr)

Galleria Vittorio Emanuele II: Il salotto
Egal wo man ist, ob im süditalienischen Neapel in der Galleria Umberto I oder im belgischen Brüssel in den Galeries Royales Saint-Hubert, man neigt dazu zu seufzen und dann zu sagen: Na ja, schon schön, aber halt nicht soooo schön wie die Galleria Vittorio Emmanuele. Und sie ist ja auch wirklich beeindruckend schön, die so prachtvoll überdachte Einkaufspassage gleich neben dem Mailänder Dom. Jedes Mal wieder laufe ich durch die beeindruckenden Hallen und weiß gar nicht wo ich zuerst hinschauen soll: In die Höhe, wo es soviel zu sehen gibt – Malereien, Stuck, Steindekor –, oder auf die wunderbaren Böden mit den Intarsien? In die Auslagen? Oder einfach mal nur die eleganten Mailänder:innen beobachten, die hier geschäftig durcheilen und vielleicht einen kurzen Stopp in der Jugendstil-Bar Camparino einlegen? Jene Bar, die meist so gestopft voll ist mit Menschen, dass ich nur einen kurzen Blick hineinwerfe und mir denke, na, beim nächsten Mal dann. (Hier soll übrigens Davide Campari das gleichnamige Getränk erfunden haben.) Jedenfalls sollte man am Schnittpunkt der Galerien, an dem unübersehbar achteckigen Platz den Blick in die luftigen Höhen wandern lassen: Denn da oben schwebt die Glaskuppel, in beeindruckenden 47 Metern Höhe.

Den Namen verdankt die Galleria übrigens dem ersten König des vereinten Italiens, mit dem klangvollen Namen Vittorio Emanuele Maria Alberto Eugenio Ferdinando Tommaso di Savoia. Keine Überraschung auch, dass die Galleria in seiner Gegenwart 1867 feierlich eröffnet wurde. Wer den Kopf in den Nacken legt und hinaufblickt, wird entdecken, dass es hier viele Symmetrien und viel Metall (Gußeisen) zu sehen gibt – und ja, die Galerie ist auch eine Art Vorausschau auf ein neues Zeitalter, nämlich das Industriezeitalter. Noch ein Funfact am Rande: Gustav Eiffel soll, als er den Eiffelturm plante, nach Mailand gekommen sein, um von der Eisenkonstruktion der Galleria zu lernen.

Was man sich heute angesichts der vielen Tourist:innen und der zahlreichen Edelboutiquen gar nicht mehr vorstellen kann: Die Galleria und ihre Cafés waren einst bevorzugter Treffpunkt der Mailänder Adeligen, Bürger:innen, Intellektuellen und Künstler:innen. „Il salotto“ wird die Galleria auch heute noch oft genannt. Ob auch Toscanini hier vorbeischaute? Anzunehmen, schließlich dirigierte er quasi um´s Eck, in der Scala, dem berühmtestens Opernhaus Italiens.
Am besten betritt man die Galerie übrigens vom Domplatz aus, durch den beeindruckenden Triumphbogen, und dann sollte man gleich mal den Fußboden im Blick haben, denn da gibt es einiges zu sehen, u. a. in Form von Mosaiken das Wappen der Savoyermonarchie, aber auch die Stadtwappen von Mailand, Florenz, Turin und Rom. Und dann gibt es etwas am Boden, was man kann nicht übersehen kann, denn meist scharen sich hier die Menschen zusammen, die sich an einer ganz bestimmten Stelle um ihre eigene Achse drehen: Es ist ein Stier, der hier abgebildet ist, und wer sich genau auf dessen Geschlechtsorganen mit einem Fuß drei Mal um die eigene Achse dreht, der soll bald vom Glück verwöhnt sein – so zumindest die Legende.

Wer ein bisschen mehr Zeit hat, der sollte ruhig ein wenig durch die schönen Kunstbücher in der Libreria Bocca dal 1775 schmökern; diese Buchhandlung ist die älteste Buchhandlung Mailands und steht unter Denkmalschutz. Und wer über das nötige Kleingeld verfügt, wird hier sicher u. a. bei Prada, Versace, Armani oder Luisa Spagnoli fündig werden.

Museo del Novecento: Ein beeindruckendes Zuhause für Kunst des 20. Jahrhunderts
Hier haben sie seit 2010 eine beeindruckende neue Heimat gefunden: die mehr als 4000 Werke größtenteils italienischer Künstler des 20. Jahrhunderts, die aus den Beständen des früheren Civico Museo d`Arte Contemporanea(CIMAC) übernommen wurden und nun im Museum del Novecento zu finden sind. Angesiedelt ist das Museo del Novecento im Palazzo dell’Arengario im Süden der Piazza del Duomo.

Rund zehn Prozent der Werke, also 400, werden auf rund 8500 m2 Ausstellungsfläche in den Räumlichkeiten des Palazzo dell`Arengario ausgestellt. Zu sehen sind Werke aus verschiedenen Kunstepochen, vom Futurismus bis zur Metaphysik, von der Gruppo Forma 1 bis zur italienischen Transavantgarde – mit Künstlern wie Amedeo Modigliani, Giorgio di Chirico, Umberto Boccioni, Mario Sironi, Lucio Fontana oder Marino Marini. Übrigens eine tolle Gelegenheit die Werke italienischer Maler und Bildhauer kennenzulernen, die man sonst – fernab italienischer Museen – nicht unbedingt am Radar hat.

Was dort sofort ins Auge springt: Die außergewöhnliche Wendeltreppe, die hinauf zu den Museumsräumlichkeiten führt – und über die die Besucher:innen direkt von der U-Bahn-Station Duomo bis in das oberste Stockwerk gelangen. Von dort aus bietet sich dann – wenn man unter der Neon-Struktur von Lucio Fontana steht – ein unglaublich schöner Ausblick auf die Piazza, den Dom und die Galleria Vittorio Emanuele II (den leider auch schon viele Influencer:innen als Fotomotiv für sich entdeckt haben und die nur dafür, aber nicht für die beeindruckende Kunst im Museum selbst ein Auge haben).

 

Hier geht es weiter mit vielen Mailand-Tipps: Teil 2 der Mailand-Reisereportage.
Ein absolutes Mailand-Highlight: Die Villa Necchi Campiglio aus den 1930ern. Tipp für Cineasten: Hier wurde "I am love" mit Tilda Swinton gedreht.

Gut essen und trinken in Mailand? Das sind meine persönlichen Empfehlungen...
Und auch in Sachen Übernachtung gibt es einen Tipp: Nämlich das Hotel Savona 18 Suites.


Sämtliche Mailand-Blog-Beiträge sind unbeauftragt und unbezahlt, vielmehr eine persönliche Empfehlung von Herzen!