Sie liegen süd-östlich von Udine und sind allesamt einen Besuch wert:
Cormòns, mitten im Collio und damit inmitten von Weinbau-Gebieten angesiedelt,
Gorizia (Görz), am Isonzo und somit direkt an der Grenze zu Slowenien gelegen und
das wie Gorizia stark durch die k.u.k.-Monarchie geprägte Gradisca d`Isonzo – drei
Städtchen, die gleichsam in einem Dreieck liegen und somit zu einer
abwechslungsreichen Rundfahrt durch das Collio-Gebiet einladen...
Erster Stopp auf dieser Rundfahrt ist das in diesem fiktiven Dreieck am südlichsten gelegene Gradisca d`Isonzo, rund 10 Kilometer südwestlich von Gorizia gelegen. Das Städtchen kann architektonisch seine österreichische Vergangenheit nicht leugnen: Erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, 1918, wurde Gradisca italienisch. Aber auch die venezianische Herrschaft ist hier unübersehbar: Unter ihr entstanden die mächtigen Stadtmauern (die heute noch in weiten Teilen erhalten sind), auf derem nördlichen Rundturm der berühmte venezianische Löwe thront.
Wir stoßen an diesem sonnigen April-Tag auf einen umfangreichen Flohmarkt außerhalb der Altstadt, im Parco della Spianata und in den angrenzenden Straßen (der hier übrigens regelmäßig stattfindet): Stand für Stand wird hier vieles angeboten, was das Herz eines so manchen Flohmarkt-Experten vermutlich um einiges höherschlagen lässt. Wir bleiben schließlich an einem Stand mit alten Langspielplatten hängen und decken uns mit ein paar (teils skurrilen) italienischen LP-Raritäten ein. Ob sie denn auch noch abspielbar sein werden? (Und ja, sind sie dann erstaunlicherweise und zwar alle…)
Aber dann zieht es uns in die schön renovierte Altstadt hinein, durch die Porta Nuova. Die dicke Stadtmauer zeugt auch von der Rolle, die die Stadt im 15. Jahrhundert innehatte: Nämlich eine maßgebliche, wenn es um die Verteidigung der Venezianischen Seerepublik gegen die einfallenden Türken ging. Die Venezianer ließen die Stadt daher stark befestigen und 1479 rund um die Altstadt eine dicke Stadtmauer errichten. Deren gut erhaltene Überreste sind auch heute noch beeindruckend. Überraschend übrigens der Fakt, dass Leonardo da Vinci beim Entwurf einer Verteidigungsanlage mitgearbeitet hat. Daran erinnert eine Büste am Eingang zur Porta Nuova. Mächtig auch das Castello in der Verteidigungsmauer (mit sechs Türmen); als die Habsburger in der Stadt das Sagen hatten, wurde das Gebäude als Gefängnis genutzt.
Nun aber sind wir in der Altstadt gelandet; Spektakuläres im Sinne großer Sehenswürdigkeiten darf man sich hier nicht erwarten, wobei es aber etliche schöne Straßenzüge mit sorgfältig renovierten und sehenswerten Palazzi gibt. Und es ist auch die Atmosphäre des 6.500-Einwohner:innen-Städtchens, die hier gefällt. Damit überrascht auch nicht, dass Gradisca d`Isonzo seit einiger Zeit Mitglied der Vereinigung „I borghi più belli d’Italia“ ist.
Auch wenn das Städtchen nicht groß ist, findet man hier trotzdem einige recht schöne Kirchen, wie z. B. die Chiesa della Beata Vergine Addolorata oder den Duomo di Ss. Pietro e Paolo, der den Heiligen Aposteln Petrus und Paulus gewidmet ist und eine schöne barocke Fassade hat. Im Dom besonders sehenswert ist das Grabdenkmal von Nicolò II della Torre aus dem 16. Jahrhundert, das sich im ältesten Teil der Kirche befindet, der Kapelle S. Anna, die als Adelskapelle der Familie della Torre errichtet wurde. Nach seinem Tod im Jahr 1557 wurde Nicolò II. della Torre, der zweite österreichische Hauptmann von Gradisca (der sich in zahlreichen Feldzügen als ein wertvoller Befehlshaber auszeichnete, aber auch als Statthalter der Stadt geschätzt wurde), hier zusammen mit seiner Frau Caterina Prodolone beigesetzt. Mit langem Bart wird er auf einem Sarkophag liegend dargestellt, als ob er nur schlafen würde.
Flaniert man durch die Stadt, deren Straßennetz im 15. Jahrhundert von den Venezianern entworfen wurde – die engen Straßen, die die vier Hauptachsen Gradiscas verbinden, heißen heute noch, wie in Venedig, „calli“ (Gassen) – entgehen einem nicht die schönen Palazzi, die diese Straßen säumen. Wie z. B. in der Via Ciotti, wo der schöne Palazzo de Fin-Patuna, der Palazzo Strassoldo oder der Palazzo Torriani, der heute Sitz des Rathauses (besonders beeindruckend die hintere Fassade) sowie des Stadtmuseums „Museo Documentario della Città“ und einer Galerie für Moderne Kunst ist.
Besonders schön ist auch der Palazzo Il Monte di Pietà aus dem 17. Jahrhundert (einst ein Leihhaus). Beauftragt wurde das Gebäude von Hauptmann Francesco Ulderico della Torre, mit diesem Leihhaus sollten die Armen der Stadt vor Wucherern beschützt werden. Eine große Statue seiner Person dominiert die Prunktreppe des Palastes. Und er ließ noch ein weiteres Gebäude zu einem öffentlichen Zweck erbauen: Die Loggia der Händler (Loggia dei Mercanti) in der Via Battisti. In der kleinen, aber sehr interessanten Loggia findet man ein Lapidarium mit Fundstücken aus der Römerzeit sowie aus dem Mittelalter und der Renaissance. Das älteste Wohnhaus der Stadt steht gleich gegenüber: der Palazzo dei Provveditori Veneti (Palast der venezianischen Verwalter). Heute befindet sich darin die Enoteca La Serenissima mit einer breiten Auswahl an ausgezeichneten Weinen aus der Collio-Region.
So heiter und leicht die Ausstrahlung der kleinen Stadt heute ist, so düster war ihre Geschichte im Ersten Weltkrieg: Denn da lag sie an der Frontlinie zwischen Österreich und Italien, an der es zwischen 1915 und 1917 zu zwölf besonders blutigen und verlustreichen Schlachten, den berühmten Isonzoschlachten – zwischen dem Königreich Italien, den beiden verbündeten Mittelmächten Österreich-Ungarn und dem Deutschen Kaiserreich – kam. Über eine Million Soldaten wurden getötet, verwundet oder galten danach als vermisst. Um das Tal des Isonzo-Flusses (Soča auf slowenisch) zogen sich die Fronten, daher auch der Name der Schlachten.
Die Gebeine von rund 100.000 Soldaten des Ersten Weltkriegs, die in der Region rund um den Isonzo gefallen waren, wurden keine zehn Autominuten von Gradisca d`Isonzo entfernt beigesetzt: Im Sacrario Militare di Redipuglia, einer militärischen Gedenkstätte (nur rund fünf Kilometer westlich der slowenischen Grenze gelegen), die vom faschistischen Regime Italiens vorangetrieben und 1938 nach zehnjähriger Bauzeit eröffnet wurde. Nicht nur der Gedanke, dass im Ersten Weltkrieg so viele Menschen sinnlos sterben mussten (von denen ja nur ein Bruchteil hier begraben wurde), sondern auch die Dimensionen dieses faschistischen Monumentalbaus, mit dem die Opfer und auch der Krieg selbst verherrlicht werden sollten, und der Gedanke an den Faschismus selbst lassen einen hier innerlich frösteln...
Die riesige Anlage, die auch „Sacrario dei Centomila" (Gedenkstätte der Hunderttausend) genannt wird, wurde an den Hängen des Monte Sei Busi errichtet. Die Anlage, die das größte Kriegerdenkmal Italiens ist, besteht aus drei Ebenen und repräsentiert symbolisch das vom Himmel absteigende Heer, um unter der Führung ihres Kommandanten die „Via eroica", die Heldenstraße, zu begehen. Ganz oben erinnern drei Kreuze an das Bild des Berges Golgota und die Kreuzigung Christi.
Unter 22 riesigen Stufen (2,5 Meter hoch und 12 Meter breit) sind, in alphabetischer Reihenfolge, die sterblichen Reste von 39.857 identifizierten Soldaten beigesetzt. (In der Mitte der ersten Stufe ist die einzige Frau begraben, eine Rotkreuzschwester namens Margherita Kaiser Parodi Orlando). Wenn man an das Ende der Treppe und der Riesenstufen gelangt, sieht man zwei große Gräber, die mit Bronzeplatten zugedeckt: Sie enthalten die sterblichen Reste von 60.000 unbekannten Soldaten.
Am Ende der sonderbar anmutenden „Heldenstraße“ findet man das Grabmal des Herzogs von Aosta (Duca d`Aosta), Oberbefehlshaber der 3. Armee Italiens. Er starb 1931 und wollte in Redipuglia beerdigt werden; flankiert wird sein, in meinen Augen, komplett überdimensioniertes Grab von den Grabmälern fünf weiterer Generäle der 3. Armee.
Szenenwechsel: Vom monströsen Redipuglia ins beschauliche Cormòns...
Auch Cormòns, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Collio mit langer Geschichte (schon 181 v. Chr. war Cormòns eine römische Militärstation), kann seine prägende österreichische Geschichte nicht leugnen – denn die Stadt gehörte ebenfalls mehr als vier Jahrhunderte, von 1497 bis zum Ersten Weltkrieg, zu Österreich, mit nur kurzen Unterbrechungen. Etwas skurril, dass hier alljährlich im Ortsteil Brazzano der Geburtstag von Kaiser Franz Joseph gefeiert wird, am 18. August, mit Tracht und allem Drum und Dran. Und noch ein Habsburgerkaiser ist hier anzutreffen: Nämlich Maximilian I., in Form einer Statue auf der Piazza Libertà. Er hatte sich großzügig gezeigt und der Bevölkerung, die von Kriegen geplagt und verarmt war, für einige Jahre die Steuern erlassen, um die wirtschaftliche Erholung der Region vorantreiben zu können.
Besonders aufregend ist Cormòns nicht, eher Modell beschauliche Kleinstadt mit rund 7.500 Einwohner:innen, aber dennoch hübsch. Wer durch die Stadt flaniert wird an der Piazza Libertà die Wallfahrtskirche Santa Caterina entdecken (die mit ihren Zwiebeltürmen etwas an Sant`Ignazio in Gorizia erinnert). Über eine große Freitreppe steigt man hinauf zum Dom Sant`Adalberto: Er besteht aus nur einem Kirchenschiff mit spätbarockem Altar mit Seitenkapellen. Etwas unheimlich die 20 Grabkammern im Untergeschoss, mit menschlichen Überresten aus dem 17. Jahrhundert: Dank der perfekten klimatischen Rahmenbedingungen sind einige der Leichen quasi natürlich mumifiziert. Eines haben beide Kirchen gemeinsam: Sie erinnern von der Architektur her eher an Bauten in Österreich als an typisch italienische Kirchen, einmal mehr Spuren der Habsburger in dieser Region.
Jedenfalls sollte man aber in einem der zahlreichen Lokale Cormòns einkehren und einen guten Friulano genießen, z. B. an der Piazza XXIV. Maggio, wo es mehrere Lokale gibt: Am besten mischt man sich hier unter die Bewohner:innen der Stadt, um ein „Tajut“, ein unkompliziertes Glas Weißwein, zu genießen.
Von Cormons an die slowenische Grenze – nach Gorizia!
Die dritte Stadt im Bunde, die jahrhundertelang unter österreichischem Einfluss stand: Erst 1918, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, wurde auch Gorizia (vormals als Görz bekannt) italienisch. Hier geht es zu einem ausführlichen Beitrag über die farbenfrohe Grenzstadt am Isonzo...
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Ein guter Startpunkt für Rundfahrten in Friaul-Julisch Venetien: Das entspannte UDINE, nach Triest zweitgrößte Stadt der Region - hier gibt es einen umfangreichen Blog-Beitrag mit vielen persönlichen Reise-Tipps dazu.
Zwischen Cividale del Friuli und Cormòns gelegen, findet man in der ehemaligen ABTEI VON ROSAZZO neben kunsthistorischen Schätzen ein kleines Rosen-Paradies und einen großartigen Ausblick.
Es liegt nicht nur sehr malerisch an den Ausläufern der Julischen Alpen und am Natisone, sondern überrascht auch mit zahlreichen kunsthistorischen Highlights: CIVIDALE DEL FRIULI.
GUT SCHLAFEN im Friaul? Das sind meine persönlichen Empfehlungen für Hotels und B&Bs in der Region: Hotel Clocchiattio Next in Udine I
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GUT ESSEN im Friaul: Hier gibt es ein paar persönliche Tipps dazu... (in insgesamt drei Blog-Beiträgen)
Dies sind allesamt unbeauftragte und unbezahlte Blog-Beiträge. Sie enthalten persönliche Empfehlungen und sind mit viel Herzblut verfasst.
destination
Das Collio-Gebiet
Sie grenzt direkt an die Colli Orientali del Friuli: die sanfte, hügelige, von Weinbau dominierte Landschaft des Collio. Aber auch wenn man das Collio-Gebiet auf den ersten Blick vor allem in Norditalien verorten mag: Nur ein Drittel dieses Gebiets liegt in Italien, der Rest in Slowenien, nämlich der slowenischen "Brda".
Wer die Weine der Region kennenlernen will, der orientiert sich am besten an der Strada del Vino del Collio, an der zahlreiche, mitunter auch sehr bekannte, Weingüter liegen. Die Weine, die hier erzeugt werden, profitieren von den hervorragenden klimatischen Rahmenbedingungen der Region. Berge und Meer agieren hier in perfektem Zusammenspiel: Die Julischen Voralpen schützen die Weinreben vor kalten Winden, das nahe Adria-Meer mindert die jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen und sorgt für ein mildes, gemäßigtes Klima. Und dass die meisten der Weinhänge Richtung Süden liegen, wirkt sich zusätzlich positiv aus. Das Resultat: Kräftige, mineralische Weine. Spezialisiert ist man im Collio vor allem auf Weißweine: Friulano, Ribolla Gialla, Pinot Grigio und Sauvignon.
Lesetipp
Immer ein guter Begleiter auf unseren Touren durch Friaul-Julisch Venetien: Der DUMONT Kunst-Reiseführer "Friaul und Triest". (Unbezahlte Werbung)