Turin – wo gibt es den schönsten Ausblick auf die Stadt? Und welche Kirchen
sollte man in der Hauptstadt des Piemonts unbedingt gesehen haben? Tipps dazu gibt es in Teil 1 meiner
Turin-Reportage, nun geht es weiter durch die Stadt: In großartige Palazzi, Museen und Gärten...
Turin, das ist auch eine Stadt der Palazzi und Museen. Aber welche muss man gesehen haben? Gar nicht so leicht zu beantworten! Denn es gibt zahlreiche in Turin und davon sind viele ausgesprochen sehenswert. Wie z. B. das Ägyptische Museum (Museo Egizio, Via Accademia delle Scienze 6), das, selbst fast 200 Jahre alt, eine der bedeutendsten Sammlungen altägyptischer Kunst und Kultur außerhalb von Kairo beherbergt. Und nein, ich war leider noch nicht in diesem Museum, aber beim nächsten Besuch steht es ganz oben auf der Liste. Bereits selbst besucht und daher eine persönliche Empfehlung: Die Galleria Civica d`Arte Moderna. Der von außen besehen ziemlich uncharmante Betonklotz nahe dem Largo Vittorio Emanuele II (nahe dem Bahnhof) – von den Turinern zumeist nur GAM genannt – ist dennoch einen Besuch wert, beherbergt er doch eine der größten Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst in Italien. Ein Fokus liegt dabei auf italienischen bzw. piemontesischen Skulpturen und Malerei aus dem 19. und 20. Jahrhundert, darunter Werke von Amedeo Modigliani, Michelangelo Pistoletto, Carlo Levi oder Renato Guttuso. Aber auch internationale Künstler wie Pablo Picasso, Paul Klee oder Andy Warhol sind hier vertreten (Via Magenta 31).
An der Piazza Castello, gleichsam dem Herzstück der Stadt, stehen gleich zwei beeindruckende Palazzi, der Palazzo Reale und der Palazzo Madama. Und welchen nun besichtigen? Beide, definitiv. Das Spannende dabei: Bei der Errichtung bzw. dem Ausbau beider Paläste hatten maßgeblich Frauen ihre Hand im Spiel.
So entstand der Palazzo Reale ab 1646 auf Initiative von Cristina di Francia, Witwe des zehn Jahre zuvor verstorbenen Vittorio Amadeo I. – und zwar an der Stelle des ehemaligen Bischofpalasts, in dem das Adelsgeschlecht der Savoyer residiert hatten, als sie sich in Turin niederließen. In den vielen Jahren des Baus waren viele bekannte Architekten und Künstler beteiligt und offensichtlich war man mit dem Resultat zufrieden, denn der Palazzo Reale blieb bis 1865 die königliche Residenz. Ziemlich beeindruckend steht er heute nach wie vor da, durch gusseiserne Gitter nähert man sich dem schlanken, eleganten Bau.
Es lohnt sich das Innere des Palazzo Reale zu besichtigen: Beeindruckend sind u. a. das prächtige Treppenhaus, der Saal der Schweizer Wache und der Thronsaal. Zauberhaft der chinesische Salon (Gabinetto Cinese), absolut sehenswert auch der große Speisesaal. Interessant auch die Privatgemächer der Königin im hinteren Teil des ersten Stocks. Auch hier kommt man vorbei und ins Staunen: im ausladenden und eindrucksvollen Ballsaal (Sala da ballo). In den rund 20 Räumen des Piano nobile bekommt man einen guten Eindruck, wie die Savoyer im 17./18. Jahrhundert wohnten: Mit mächtigen Kronleuchtern, wertvollen Tapeten, aufwändigen Wand- und Deckenfresken, feinem Porzellan und viel Gold. Auch das zweite Stockwerk sollte man nicht auslassen, auch wenn es sich etwas weniger prachtvoll präsentiert, interessant sind die ehemaligen Privatgemächer der Savoyerfürsten allemal. Und wenn schon mal hier, dann sollte man auch die Biblioteca Reale, die Königliche Bibliothek, besuchen. Besonders der öffentlich zugängliche Lesesaal beeindruckt mich – mit Büchern bis unter die Decke. Werke von Leonardo da Vinci, die vermutlich die größten Schätze der Bibliothek sind, werden leider nur zu besonderen Anlässen ausgestellt. Ich habe sie zumindest nicht gesehen.
Nicht nur an historischen Waffen Interessierte werden von der Armeria Reale beeindruckt sein: Die Königliche Waffensammlung ist unter den Arkaden an der Nordseite der Piazza Castello angesiedelt. Highlight ist ganz sicher die Galleria Beaumont: Hier sind zahlreiche Rüstungen für Reiter und Pferd zu sehen. Und nein, man möchte sich nicht vorstellen, wie unbequem diese Rüstungen gewesen sein müssen.
Definitiv ein Gesamtkunstwerk ist auch der Palazzo Madama, der ebenfalls an der Piazza Castello steht und den Savoyern als – durchaus repräsentativer – Wohnsitz diente. Sein Name kommt nicht von ungefähr, sondern verweist auf die „königlichen Damen“. Gemeint sind damit die bereits zuvor erwähnte Cristina di Francia sowie Maria Giovanna Battista di Nemours, die beide tatkräftig die Regierungsgeschäfte ihrer verstorbenen Männer übernahmen – und sich eben auch als Bauherrinnen in Turin einen Namen machten. Beide haben den Ausbau dieses Palazzo maßgeblich beeinflusst und beide haben darin auch zeitweise gelebt. Aber stopp, beginnen wir ganz am Anfang der Baugeschichte: Ursprünglich stand hier eine relativ schlichte, mittelalterliche Burg, in die auch Türme des römischen Stadttores integriert waren. Neue Eigentümer, neue Gestaltung – die Savoyer übernahmen Anfang des 15. Jahrhunderts das Gebäude und begannen gleich mal mit einer Umgestaltung. 1637 bezog dann schließlich Cristina di Francia, auch Madama Reale genannt, den Palazzo und was sie vorfand, traf offensichtlich nur mäßig ihren Geschmack: Sie ließ ihn ab 1638 Schlossartig ausbauen. Seit damals trägt er übrigens auch den Namen Palazzo Madama.
Wesentlich stärkere Eingriffe in die Baugeschichte gab es dann unter Regentin Maria Giovanna Battista di Nemours, Anfang des 18. Jahrhunderts: Unter anderem entstand damals die prächtige barocke Fassade aus hellem Kalkstein aus dem Piemonteser Susatal, die allerdings nicht zur Gänze vollendet wurde. Damals kam auch der berühmte Turiner Hofarchitekt Filippo Juvara ins Spiel: Er entwarf die zwei symmetrisch angelegten herrschaftlichen Treppen, die von beiden Seiten zum Festsaal hinaufführen. Drei Eingangsportale, wahrliche riesige Fensterfronten (und somit viel Licht) und eine Breite von 50 Metern sowie eine Höhe von 25 Metern: Wer über diese in ihrer Anlage und Ausführung beeindruckenden Treppen schreitet (und diese kann man, unabhängig von den Museums-Räumlichkeiten, auch gratis besichtigen), der ahnt, wie barocke Repräsentationsarchitektur damals aussehen musste.
Und ja, man sollte nicht nur Stiegenhaus und Treppe besichtigen, sondern unbedingt auch das Museo Civico d`Arte Antica, das sich seit 1933 im Palazzo Madama befindet: bis heute ein Museum der Stadt und des Piemonts und zugleich ein Museum für dekorative Kunst aus allen Epochen und Orten. Auf vier Etagen findet man – neben der mehr als prachtvollen Innenausstattung – eine umfangreiche und wirklich sehenswerte Sammlung an Skulpturen, Gemälden und Möbeln aus Spätantike, Mittelalter, Renaissance und Barock. Ebenfalls einen Abstecher wert ist das letzte Stockwerk, in dem eine Sammlung dekorativer Kunst – Glas, Porzellan, Keramik, Majoliken etc. – gezeigt wird. Und nicht zuletzt sollte man sich, wie schon zuvor erwähnt, den schönen Ausblick vom der Aussichtsplattform im Turm des Palazzo nicht entgehen lassen...
Als große Gartenfreundin hätte ich übrigens gerne auch noch den mittelalterlichen botanischen Garten des Palazzo Madama besucht, aber aufgrund von Schlechtwetter und ausgiebigem Regen an den Vortagen war er leider geschlossen. Auch das wandert auf die Liste für den nächsten Turin-Besuch...
Ganz besonders schön finde ich übrigens die sogenannte Süd-Veranda im Palazzo Madama, lichtdurchflutet dank riesiger Fenster. Die Decke ist mit Bändern aus vergoldetem Stuck verziert, zwischen denen sich eine von Domenico Guidobono gemalte Pergola befindet. Im 18. Jahrhundert wurde dieser Raum "Spiegelzimmer" genannt, denn die Wände waren mit Spiegelgläsern verkleidet, die die große Helligkeit in diesem Raum hervorhoben und, wie es Spiegel nun mal tun, auch in den kleinsten Räumen, gleichzeitig die Illusion von Großzügigkeit und Weitläufigkeit vermittelten. Wunderbar auch der Ausblick auf die Piazza Castello und die Chiesa di San Lorenzo schräg gegenüber.
Apropos Gärten, kostenlos zugänglich ist der Zutritt zu den schönen Königlichen Gärten (Giardini Reali) gleich hinter dem Schloss. Dort lässt es sich wunderbar zwischen dem barocken Rosengarten, mächtigen Kastanienbäumen und üppigen Eichen spazieren, vorbei am berühmten Tritonenbrunnen (Fontana di Nereide e Tritoni). Auch der Zugang zum Innenhof des Palazzo Reale, wo oft Konzerte stattfinden, ist gratis – und wer nach all der Kultur hungrig ist, der legt am besten eine Pause im dortigen Caffè Reale ein, entweder an den Tischchen in den Arkaden des Innenhofs oder noch besser in den Innenräumen des Caffès, denn das ist ziemlich spektakulär: In den Räumlichkeiten sitzt man inmitten von raumhohen Vitrinen, in denen kostbares altes Porzellan der Sayvoyer präsentiert wird.
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