Beim ersten Besuch reist man noch mit einer langen Sightseeing-Liste an, die abgearbeitet werden muss - die Pflicht also. Dann aber folgt die Kür, spätestens beim nächsten Besuch. Und das bedeutet: Gemütlich durch die Altstadtgassen schlendern und (in die) Fenstergucken! Und das machen einem die Amsterdamer reichlich leicht...
Denn wie so oft im hohen Norden setzt auch die niederländische Architektur auf viele und große Fenster. Schließlich will man vom Licht, das sich hier nicht ganz so großzügig zeigt wie etwa im Süden, ganz besonders viel abbekommen - zu Recht, sind doch gerade die Altstadthäuser meist schmal, eng und nicht allzu groß. Vorhänge wären da nur im Weg und die Wohnungsdekoration, die die Holländer so trefflich beherrschen, will ja auch bewundert werden. Und das tue ich – gerne und ausführlich, denn es fühlt sich fast ein wenig an wie eine geschmackvoll kuratierte Möbelausstellung, wenn man in den kleinen Altstadtgassen entlang flaniert.
Warum genau die Holländer jedoch zumeist auf Vorhänge verzichten und ihr Wohnungsinneres wie auf dem Päsentierteller anrichten, das weiß keiner so recht. Typisch Handels- und Seefahrer-Nation, sagen die einen, da wird man einfach offen und zugleich pragmatisch. Von einer holländischen Vorhang-Steuer erzählen die anderen, aber diese Theorie scheint auch nicht so recht zu greifen. Weil wir alle so leben, schaut ohnehin keiner, sagen hingegen meine holländischen Verwandten. Eine schlüssige Theorie?
"Heimlich bei den Nachbarn reinschauen" lautet jedenfalls das Motto beim "Gluren bij de Buren"-Festival. Wobei, so heimlich läuft das ganze gar nicht ab: Denn bei diesem Festival, das regelmäßig in zahlreichen Städten in den Niederlanden stattfindet, werden die Nachbarn ganz hochoffiziell zu kleinen Konzerten im eigenen Wohnzimmer eingeladen: Ob talentierte Nachwuchs-Singer-Songwriter, Theaterfans oder Chorgruppen, sie alle präsentieren sich dann im Wohnzimmer, wo der Teppich zur Bühne und das Sofa zum Zuschauerraum wird. Das wäre doch was beim nächsten Amsterdam-Besuch, dann erübrigt sich auch das Fenstergucken.
Ich mag sie, die Amsterdamer: Da laden sie einen charmant ein auf der Bank vor ihrem Haus Platz zu nehmen, best bench in town, by the way. Aber das Kiffen dann doch bitte wegen der Kinder sein lassen, lautet die charmante aber zugleich unmißverständliche Aufforderung. Und praktisch veranlagt sind sie auch, die Amsterdamer: Griffbereit baumeln die Klappsesseln an der Wand im Hauseingang und das macht Sinn, denn schließlich setzt man sich hier gerne Abends raus auf den Gehsteig, vor das Haus, zwei Sessel, ein Tischerl und schon wurde aus dem Gehsteig Vorgarten und Schanigarten in einem. Da wird dann gerne auch der Nachbar auf ein Gläschen rübergebeten...
Ein kleiner Tipp übrigens noch für alle Fenstergucker: Die Amsterdamer sind zwar dafür bekannt offen und liberal zu sein, aber offensichtliches in-fremde-Häuser-Starren ist hier dennoch nicht gefragt. Das machen die Holländer ziemlich professionell-verstohlen, quasi aus dem Augenwinkel... wenn überhaupt, wie meine holländische Großcousine mich so gerne zu überzeugen versucht.