• Auf zwei Rädern durch Valencia (IV)
    Durch den Turia-Park bis ans Meer

Ich weiß eigentlich nicht, ob ich das wirklich will, höre ich mich noch sagen. Denn ich habe ein wenig Panik vor Radfahren in der Stadt, noch dazu in einer, die mir nicht vertraut ist. Aber dann sitze ich auch schon auf dem waschechten Holland-Rad. Und stelle fest: Valencia ist tatsächlich eine fahrradfreundliche Stadt... und damit perfekt geeignet, sie auch auf zwei Rädern zu erkunden. Unsere Tour führt uns vom Trendviertel Ruzafa durch den Turia-Park bis zum Meer und an den Strand – und bevor es dann bald "Adiós, Valencia" heißt, auch noch mal ins pittoreske Stadtviertel El Cabanyal...

Here we go, sagt die nette Rezeptionistin des Yours Boutique Hotels, wo wir uns praktischerweise auch gleich Räder ausleihen können, und schon steht ein Hollandrad vor mir. Ok, sage ich zu meinem Mann, du fährst vor, aber nicht zuuuuuu schnell!! Er muss lachen – und düst los. Na genau so hatte ich mir das vorgestellt. Er ist der Radfahr-Experte in unserer Beziehung, fährt er doch jeden Tag zur Arbeit und wieder retour und kurvt gefühlt ständig mit Mountain- und Rennrad rund um Wien und durch die Wiener Hausberge. Ich bin hingegen, naja, sagen wir: Wieder-Anfängerin. Denn Rad und Stadt, das ist mir suspekt, ich bin eher Team zu Fuß oder Öffi. Warum ich das hier erzähle? Weil ich allen, denen es wie mir geht in Sachen Rad & Stadt, Mut machen will es in Valencia ruhig mal zu probieren. Ziemlich relaxed rollt man da nämlich dahin, denn die Stadt ist flach – zugegeben, ein großer Vorteil – und verfügt über viele Fahrradwege. Und dort, wo man sich unter Autos bewegen muss, dort nehmen die Autofahrer:innen, finde zumindest ich, erstaunlich viel Rücksicht auf die, die auf zwei Rädern unterwegs sind. Auch wenn der Ausbau des Rad-Netzes auch in Valencia ein sehr politisches Thema zu sein scheint, wie man hört. Aufpassen muss man also natürlich trotzdem sehr, zumal, wie so oft im Süden, Verkehrsregeln gefühlt als mögliche Empfehlungen, aber nicht unbedingt strikte Vorgaben gesehen werden.

Was sich daher besonders anbietet: Eine Fahrt durch den Fluss-Park Turia, denn dort gibt es keinen Autoverkehr und alle leben in friedlicher Koexistenz nebeneinander. Die Radler neben den Fußgänger:innen, die Rollerfahrer neben den Joggern, da wird gepicknickt, Sport betrieben, gespielt. Baseballplätze, Skaterparks, eine Minigolfanlage, ausgewiesene Laufstrecken, ein Rutschpark – das Angebot ist breit. Perfektes Parkleben, wo jeder auf die Bedürfnisse des anderen Rücksicht zu nehmen scheint.

Auch wir rollen aus Ruzafa kommend, zuvor durch das schöne Viertel la Gran Via radelnd, gemütlich durch die grüne Lunge der Stadt. Denn das ist sie wirklich, schließlich erstreckt sich der Turia-Park mit einer Länge von mehr als 9 Kilometern vom Parque de Cabecera bis zur Ciudad de las Artes y las Ciencias (Stadt der Künste und Wissenschaften) in dem ehemaligen Flussbett. Er durchquert die Stadt von Westen nach Osten und umschließt zugleich das historische Zentrum Valencias.

Zu oft hat der Turia-Fluss die Stadt überschwemmt, zuletzt am 14. Oktober 1957, und das so massiv, mit derartigen Flutwellen, dass er die ganze Stadt verwüstete und dabei zahlreiche Menschen starben. Die Stadt beschloss daraufhin den Fluss umzuleiten: Seit den 1960er Jahren wird das Wasser rund 10 Kilometer aufwärts in einen südlich von Valencia liegenden Kanal abgeleitet. Die Pläne, im ehemaligen Flussbett eine Autobahn zu errichten, konnten abgewendet werden, die Bürger:innen der Stadt hatten sich erfolgreich gewehrt und der verkehrsfreie Park ist mittlerweile zu einem absoluten Erfolgsprojekt geworden.

Über insgesamt 18 Brücken kann man den Turia-Park queren, so tun auch wir das, um dann gemütlich nahe dem Museum der Schönen Künste in den Park hinunter zu rollen. Palmen, Orangenbäume, mächtige Kiefern, Rosengärten, tropische Pflanzen – das Auge bekommt hier etwas geboten.

Und dann hat man das Gefühl, dass man in einer riesigen futuristischen Filmszene gelandet ist: Wir sind im östlichen Teil des trockengelegten Flussbetts angekommen, in der CAC (Ciutat de les Arts i les Ciències), der Stadt der Künste und der Wissenschaften. Der valencianische Stararchitekt Santiago Calatrava hat hier seine Bühne gefunden: Insgesamt fünf Gebäude stammen aus seiner Feder. Wie bei so vielen internationalen Großprojekten ist auch in der CAC nicht alles glatt gelaufen: Weil nach der schweren Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/09 das Geld knapp wurde, gab es z. B. bei der Kunsthalle Agora einen Baustopp – mittlerrweile hat sie aber ihre Pforten geöffnet. Darüber hinaus sind die Baukosten teilweise explodiert, nicht alles, was geplant was, wurde auch tatsächlich fertiggestellt. Und dennoch: Das, was hier heute steht, imponiert, sehr sogar.

Unser erster Stopp: Vor dem Palau de Les Arts Reina Sofía, der Oper. So ziemlich alles an diesem Gebäude ist geschwungen in Sachen Bauform, Kurven wohin man blickt. 75 Meter hoch an der höchsten Stelle, bis zu 14 Stockwerke, 230 Meter lang, 40.000 Quadratmeter Fläche. Hier wurde definitiv geklotzt. Was das umbaute Volumen angeht, ist es angeblich das größte Opernhaus der Welt, und beherbergt vier Auditorien bzw. Säle für jeweils 400 bis 1490 Zuschauer:innen. Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätte ich mir die Oper auch gerne von innen angesehen, denn auch dies soll sehenswert sein.

Es ist definitiv mein Lieblingsgebäude in der Stadt der Künste und Wissenschaften: Das Imax-Kino L`Hemisfèric, das auf einer Art Halbinsel in einem See liegt. "Auge der Weisheit" wird das Gebäude oft genannt, mich erinnert es eher, zumindest wenn man vor dem Wissenschaftsmuseum steht und es von dort aus betrachtet, an ein Tier, na ja, vielleicht ein außerirdisches Tier, das hier geduckt lauert und einen am liebsten anspringen möchte. Aber das ist vielleicht nur mein Eindruck...
Tatsache ist, dass dieses "Auge" seine "Lider" rechts und links öffnen kann, dank einer raffinierten Hydraulikanlage. Geht man hinein in das Auge, stösst man auf eine große, weiße Kugel – worin sich der Kinosaal befindet. 900 Quadratmeter ist die Leinwand groß, sie bedeckt die gesamte Kuppel im Inneren, was ein eindrucksvolles Kinoerlebnis verspricht.

Eigentlich ist es eine zweistöckige Parkgarage, aber das ahnt man nicht, wenn man die hohen, weißen Stahlbögen betrachtet: Aus rund 100 an die 20 Meter hohen, weißen Stahlbögen besteht L`Umbracle, was auf Valencianisch soviel wie "Sonnenschutz" oder "Schattenhaus" heißt. Und das trifft es gut, denn unter diesen schattenspendenden Bögen befindet sich ein üppiger Garten mit Dutzenden von Pflanzenarten – gesäumt von Palmen, Bitterorangen-Bäumen und unterschiedlichsten Sträuchern. Ein kleines Paradies. Logisch auch, dass man von hier oben einen großartigen Ausblick auf die CAC hat.
Beeindruckende 320 Meter lang und 60 Meter breit ist der Umbracle, auf dem im Paseo del Arte eine gratis zugängliche Freiluft-Ausstellung mit Skulpturen zeitgenössischer Künstler:innen zu finden ist. Im Gebäudeinneren befindet sich darüber hinaus eine Diskothek, die im Sommer auch als Freiluft-Diskothek (L’Umbracle Terraza) betrieben wird.

Wenn wir mehr Zeit im Gepäck gehabt hätten, hätte ich mir einen Museumsbesuch gegönnt: Im Wissenschaftsmuseum (Museu de les Ciènces), das im Jahr 2000 eröffnet wurde. Denn hier darf man nicht nur alles angreifen, sondern es ist sogar ausdrücklich erbeten: „Nichtanfassen, Nichtfühlen und Nichtdenken verboten“ lautet auf den drei Stockwerken mit jeweils 8.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Motto. Das Ziel: Den Besucher:innen die Prinzipien von Wissenschaft und Technologie möglichst praxisnahe zu vermitteln.
Was für eine großartige Idee so ein umfangreiches Museum der Wissenschaft zu widmen und wie schön zu sehen, dass hier auch so viele Eltern mit ihren Kindern unterwegs sind. Kindern Wissenschaft spielerisch näher bringen, besser geht es gar nicht. Und dazu laden die Ausstellungsflächen, die zu rund 85 Prozent interaktiv sind, ja regelrecht ein. Aber auch von außen imponiert das Gebäude mit seinen Dinosaurierzacken am Dach und den tausenden Fensterscheiben, die sich in den unterschiedlichsten Formen präsentieren.

Das CaixaForum (Ágora) sticht farblich hervor: Denn es ist, anders als die anderen Gebäude, die alle weiße Fassaden haben, tiefblau. Auch dieses Bauwerk hat übrigens der valencianische Architekt Santiago Calatrava entworfen, ursprünglich als Mehrzweckhalle gedacht. 2022 wurde das Gebäude nach längeren Umbauarbeiten wiedereröffnet, als eine Art Kunsthalle, in der unterschiedlichste Austellungen zu Geschichte, Kunst, Wissenschaft und Technologie stattfinden.
In unmittelbarer Nähe finden Unterwasserwelt- und Tier-Begeisterte das L`Oceanogràfic, das mit 110.000 Quadratmetern größte Aquarium Europas. Unvorstellbare 42 Millionen Wasser fasst das Aquarium und bietet rund 45.000 Tieren (und ca. 500 verschiedenen Arten) einen Lebensraum. Zu sehen bekommt man hier Säugetiere, Wirbellose Tiere, Fische, Reptilien und Vögel.

Wir rollen weiter, durch den östlichstens Teil des Turia-Parks und dann immer weiter Richtung Jachthafen (Marina de Valencia): Hier befand sich ursprünglich der Fischereihafen, 2007 wurde dieser für den 32. America´s Cup komplett umgebaut.

Nächste Station unserer Rad-Tour: Der Mirador del Puerto, von dessen Aussichtsplattform man einen tollen Ausblick auf das Meer, Richtung Playa de las Arenas, aber auch auf Teile des Industriehafens von Valencia hat. Dieser ist übrigens der viertgrößte Hafen Europas und soll noch weiter ausgebaut werden, sehr zum (verständlichen) Unwillen der Valencianer:innen.

Wir waren schon kurz hier nach unserem Tag am Strand, wollten aber unbedingt noch mal vorbeischauen in El Cabanyal: Und das tun wir jetzt auch, ganz entspannt auf zwei Rädern rollen wir vom Passeig de Neptú, der Promenade, die an den Stränden von La Malva-Rosa und Las Arenas entlangführt, in den Stadtteil El Cabanyal, der einst vor allem von Fischern bewohnt war. Kleine Häuser, zumeist nur zweistöckig, mit knallbunten Fassaden, viele davon mit Keramikfliesen gestaltet, teilweise im Stil des Valencianischen Modernismus, stehen hier dicht an dicht. Besonders schöne Exemplare gibt es in den Straßen Sant Pere, La Reina oder Excalant zu sehen. Aber generell lohnt es sich, hier einfach mal den Stadtplan zur Seite zu legen und sich einfach treiben zu lassen durch die nur mäßig befahrenen Straßen und Gässchen. Und auch wenn es heute ein sehr trendiges Viertel ist, in dem sich auch gastronomisch und kulturell einiges tut, so lässt sich doch nicht übersehen, dass wohl hinter so mancher Fassade nicht unbedingt der Wohlstand zu Hause ist.

Es ist längst kein Geheimnis mehr: Wer gut essen und einen entspannten Abend haben will, der findet in El Cabanyal so manchen Platz, an dem das ganz leicht gelingt. Besonders bekannt und eine Institution in El Cabanyal ist die Bodega Casa Montana (Calle José Benlliure, 69). Besonders wohl gefühlt haben wir uns auch im Cafè Doux-Amer, wo es sich entspannt frühstücken, brunchen oder lunchen lässt und eine Menge Leute abhängen, die für eine gewisse Zeit ihre beruflichen Zelte in Valencia aufgeschlagen haben (C/ de Just Vilar, 29). Fündig wird man in diesem Viertel in Sachen Food & Drinks jedenfalls gefühlt an jedem Eck...

Und damit heißt es für uns nach vier abwechslungsreichen Tagen in Valencia bereits wieder Abschied nehmen. Werden wir wiederkommen? Jederzeit. Denn es gibt immer noch viel zu sehen... Adiós, Valencia!

Apropos, wer quereingestiegen ist, hier geht es zu Teil 1 der vierteiligen Valencia-Reportage.

Was darf hier nicht fehlen? Ein Hotel-Tipp! Unsere Empfehlung: Das YOURS Boutique Hotel.

Gut essen in Valencia – hier gibt es ein paar persönliche Empfehlungen für Frühstück und Dinner in Ruzafa und El Cabanyal.

Unbeauftragter, unbezahlter Blog-Beitrag.

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RADFAHREN IN VALENCIA

Radfahren in Valencia: Es ist flach und gibt sehr viele Fahrradwege – beste Voraussetzungen also für eine Radtour durch die Stadt. Wer ansonsten nicht so gerne mit dem Rad in einer Stadt unterwegs ist, der sollte sich vielleicht auf eine Radtour durch den Túria-Park konzentrieren: Hier gibt es keinen Autoverkehr, es radelt sich ergo sehr entspannt und umgeben von viel Grün. Zu sehen gibt es dort dank der CAC (Stadt der Künste und Wissenschaften) genug.
Wer nicht direkt im Hotel ein Fahrrad leihen kann, kann dies auch über das öffentliche Fahrradverleihsystem, das Valenbisi, tun. Lohnenswert ist die Anmeldung dort aber vermutlich erst, wenn man das Rad für ein paar Tage lang ausleiht. Für einen Tag zahlt sich es aufgrund des Aufwands nicht aus.

Aber wie gesagt, Leihräder gibt es ohnehin in den meisten Hotels. Darüber hinaus stolpert man gefühlt an jeder Straßenecke über einen Fahrradverleih-Shop. Wer lieber in der Gruppe im Rahmen einer Führung unterwegs ist, der wird vielleicht hier fündig: Valencia Bikes – hier gibt es täglich geführte Fahrradtouren.