Wer Eisacktal hört, denkt oftmals nur an die Brennerautobahn,
die sich vielbefahren durch das Tal entlang des Eisack-Flusses vom Brenner bis nach Bozen schlängelt. Schade – denn das rund 80 km lange Eisacktal ist so viel mehr: Da warten die hübsche Fuggerstadt Sterzing, die von Weinbergen umgebene ehemalige Bischofsstadt Brixen oder das mittelalterlich geprägte Städtchen Klausen. Nicht zu vergessen, was man auf den Anhöhen des Eisacktals zu sehen bekommt: Zum Beispiel die Villanderer Alm – zweitgrößte Hochalm Europas und vielseitiges Wandergebiet – oder den zauberhaften
Weiler Bad Dreikirchen bei Barbian...
Wir starten in rund 1120 Metern Höhe, im kleinen WEILER BAD DREIKIRCHEN, oberhalb von Barbian. Und gleich vorweggesagt: für mich einer der schönsten Orte, die ich auf meinen Reisen durch Südtirol kennengelernt habe. Aber von Anfang an: Man kommt nur zu Fuß nach Bad Dreikirchen oder mit einem speziellen Jeep-Taxi. Gut so, denn damit bewahrt sich dieser spezielle Ort seine Eigentümlichkeit. Wer sein Auto im Zentrum von Barbian stehenlässt, wandert vorbei an der Jakobskirche mit dem auffällig schiefen Turm durch das Dorf Richtung Norden (Wegnummern 3 und 11) über Wiesen in den Wald. Weiter geht es bis zum Sportplatz von Barbian (wo man übrigens auch parken kann, wenn man den Weg etwas abkürzen will), von wo es über einen gut ausgeschilderten Forstweg hinauf nach Bad Dreikirchen geht. Die letzte Wegstrecke ist ein wenig steil, aber es lohnt sich jeder Meter. (Die Strecke von Barbian nach Bad Dreikirchen ist in rund einer Stunde zu bewältigen.) Und dann bekommt man sie zu sehen und staunt über ihre eigentümliche Anordnung: die drei kleinen, gotischen Kapellen, eng aneinandergebaut, inmitten von Wiesen, mit großartigem Panoramablick. Und was für ein Luxus das alles – Landschaft und Architektur – genießen zu können, ohne jeglichen Autoverkehr.
Entstanden sind die drei Kapellen zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert, an der Stelle eines heidnischen Quellheiligtums. Warum hier gleich drei Kapellen – geweiht der hl. Gertraud, dem hl. Nikolaus und der hl. Magdalena – stehen, so nahe aneinandergebaut, aber doch eigenständig? Man weiß es trotz umfangreicher Forschung bis heute nicht so wirklich. Bereits im Jahr 1237 erwähnt wurde die St. Gertraud-Kirche und ist damit wohl die älteste der drei Kirchen: Mit gotischen Fresken im Altarraum und einer spätgotischen Madonnenskulptur in einem hübschen frühbarocken Seitenaltar. Auch ins Innere der St. Nikolaus-Kirche sollte man einen Blick werfen: Hier findet man einen schönen spätgotischen Flügelaltar, im Zentrum der Namenspatron der Kirche, der hl. Nikolaus. Ebenfalls ein schöner Flügelaltar steht im Kirchlein St. Magdalena, mit einer Marienkrönung im Schrein.
Aber den Zauber dieses Weilers macht auch das aus, was man hier weiters vorfindet: zwei alte Gasthöfe – den Gasthof Messnerhof und das historische Berghotel Gasthof Bad Dreikirchen, ein Haus, das bis ins 14. Jahrhundert zurückdatiert – und ein paar weitere versprengte Häuser. Und dann dieser Ausblick auf das Eisacktal und die gegenüberliegenden Bergketten. Man kann sich dem Zauber und Charme dieses Ortes nur schwer entziehen, und so dürfte es auch schon Sigmund Freud und Christin Morgenstern gegangen sein, die hier oben am Berg ihre Sommerfrische verbracht haben. (Wer mehr über das Berghotel Gasthof Bad Dreikirchen wissen will, liest diesen Blog-Beitrag.) Wir finden einen Platz auf der idyllischen Garten-Terrasse des Gasthofs Bad Dreikirchen, genießen eine Speckknödelsuppe und lassen unsere Augen über die Berghänge hinunter bis zum Tal wandern. Was für eine Stille und was für eine Idylle. Irgendwie ist dieser Ort ganz weit weg von der Welt. Definitiv ein Platz, an dem ich in der Zukunft gerne mal ein paar Tage verbringen möchte…
Nur 10 Autominuten sind es von Bad Dreikirchen ins beschauliche VILLANDERS, das auf rund 900 Metern Höhe liegt. Ein Besuch lohnt sich schon allein aufgrund des malerischen kleinen historischen Ortskerns rund um die spätgotische Pfarrkirche St. Stephan und den schönen Ansitz zum Steinbock aus dem 16. Jahrhundert, in dem sich heute ein Boutique Hotel befindet.
Die Pfarrkirche St. Stephan in Villanders wurde erstmals 1200 erwähnt, den damals romanischen Baustil kann man heute noch an den unteren Teilen des Turms erkennen. Wie sie heute dasteht, stammt die Kirche aus dem frühen 16. Jahrhundert, wobei im Inneren vieles aus dem 19. Jahrhundert datiert, im neugotischen Stil – gut abzulesen z. B. am 1884 errichteten Hochaltar und den Seitenaltären. Auch ein Element der Frührenaissance findet man, und zwar fast ein wenig verborgen unter der Empore an der rechten Kirchenwand: der Taufbrunnen – weißer und roter Veroneser Marmor ist hierfür zum Einsatz gekommen. Ein bisschen unheimlich die Steinmetzarbeit am Fuß des Brunnens: Da sieht man einen ziemlich wild anmutenden Mann mit einem Schwert – und in der linken Hand hält er einen abgehauenen Kopf. Genug der Grausamkeiten: An der Nordwestwand des Kirchenschiffes findet man eine ungleich friedvollere und sehr schöne Muttergottes-Darstellung aus dem Hochbarock.
Als wir dann über den die Kirche umgebenden Friedhof spazieren, bin ich ziemlich erstaunt: Noch nie habe ich einen derart aufgeräumten Friedhof gesehen. Die Gräber sind alle gleich groß und an dem einen Ende des Grabs identisch bepflanzt. Interessanterweise sind die schmiedeeisernen Grabkreuze allesamt von den Grabhügeln abgewandt – eine kulturhistorische Besonderheit, wie ich schließlich nachlese. Und ja, dann nehme ich mir noch ein paar Minuten Zeit und genieße den Ausblick vom Friedhof, denn der wird diesem schönen und friedlichen Ort mehr als gerecht.
Wer mehr Zeit hat, der könnte sich auch noch das Grabungsfeld auf dem Plunacker unterhalb von Villanders ansehen, gilt es doch als eine der wichtigsten archäologischen Fundstätten in Südtirol, mit Siedlungsresten, die von der Steinzeit bis ins Frühmittelalter reichen. Und noch eine Besichtigung bietet sich an, nämlich die des stillgelegten Silberbergwerks am Pfunderer Berg: Der restaurierte Elisabeth-Stollen kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Als eine der schönsten Hochalmen Europas gilt übrigens die Villanderer Alm, die sich von Villanders bis zum Ritten erstreckt – und im Winter ein beliebtes Langlaufgebiet ist.
An Weinhängen vorbei geht es dann von Villanders hinunter nach KLAUSEN: Und auch wenn die kleine Stadt (mit rund 5.200 Einwohner:innen) im mittleren Eisacktal Ende Juni ein wenig ausgestorben wirkt – denn um diese Zeit ist der/die Südtiroler:in auch gerne auf Urlaub und viele Gastronomiebetriebe sind geschlossen –, mag ich es auf Anhieb. Gefallen hat es hier übrigens auch Albrecht Dürer, denn die Stadt unterhalb des Säbener Burgfelsens hat ihn 1494 auf seiner ersten Italienreise zu einem Kupferstich („Das große Glück“) inspiriert.
Wer in der Altstadt stehend hinauf schaut, der sieht da oben das Kloster Säben thronen, auf dem Säbener Klosterfelsen, dem sogenannten "Heiligen Berg" – der nur zu Fuß erreichbar ist, und zwar in rund 30-45 Minuten vom Tinneplatz aus, zuerst über einen Treppenweg und dann über einen Kreuzweg oder die Säbener Promenade. Besiedelt war der Felsen bereits in der Jungsteinzeit, heute steht dort ein bis 2021 bewohntes Benediktinerinnenkloster mit vier Kirchen. Das Konventsgebäude ist nicht zugänglich, drei der vier Kirchen allerdings schon: die Marienkapelle (Gnadenkapelle), eines der ältesten Pilgerziele Südtirols, die barocke, achteckige Liebfrauenkirche und die Heilig-Kreuz-Kirche mit farbenfrohen Wand- und Deckenfresken. (Mehr Informationen dazu findet man hier.)
Wir deponieren unser Auto am Parkplatz Schindergries und starten unseren Stadtspaziergang am Tinneplatz. Wer von hier aus in die Altstadt hineinspaziert, entdeckt rasch, dass sie im Wesentlichen aus der schmalen Hauptstraße, die sich vom Tinneplatz im Süden der Stadt bis zum Säbener Tor am Nordende Klausens windet, besteht: Sie ist von Bürgerhäusern und auch einigen Gasthäusern mit schön renovierten Fassaden und Portalen gesäumt. Es lohnt sich hier gemütlich entlang zu flanieren und sich nichts entgehen zu lassen, was da an schönen Geschäftsschildern, reich verzierten Erkern, Butzenglas-Fenstern, Wandmalereien etc. geboten wird. Und ja, man kann es sich kaum vorstellen in dieser ruhigen Gasse, aber einst und für einige Jahrhunderte ging hier der gesamte Brennerverkehr durch, denn Klausen war eine wichtige Zollstätte an dieser Handelsroute.
Ziemlich in der Mitte der Altstadt, an der Piazza Parrocchia, steht die Pfarrkirche St. Andreas, deren Südportal, auf dem ein Tympanonrelief des hl. Andreas prangt, aus dem Jahr 1469 datiert. Vollendet wurde der spätgotische Bau der Kirche im Jahr 1498, das Südportal stammt also von einer früheren Kirche. Im Inneren fällt mein Blick als erstes auf das schöne und sehr üppig verzweigte Netzrippengewölbe, hübsch auch die Schlusssteine, die mit Heiligenfiguren bemalt sind. Wer sich genauer umschaut im Kircheninneren, entdeckt zahlreiche Skulpturen, die teilweise aus anderen Kirchen hierhergebracht worden waren – darunter eine schöne Darstellung der Grablegung Christi aus der Zeit um 1600. Apropos, die schönen Glasfenster ziehen sofort meine Aufmerksamkeit auf sich – auch wenn in meinem Kunstreiseführer nichts dazu vermerkt ist.
Schließlich spuckt uns die Altstadt beim Säbener Tor wieder aus und wir werfen kurz von der Ponte Cassiano über den Eisack einen Blick Richtung Norden: Dort, in ca. 15-Autominuten-Entfernung, liegt das hübsche BRIXEN, eine der ältesten Städte der Region und die drittgrößte Stadt Südtirols. Aber in Brixen hatte ich mich ja schon bei einem früheren Besuch verliebt und deswegen gibt es hier bereits seit längerem einen ausführlichen Blog-Beitrag dazu. Ein letzter Blick Richtung Norden und dann spazieren wir entlang der Eisack und an den Rückseiten der Bürgerhäuser, die zum Eisack hin großteils schöne, üppige Gärten haben, vorbei zurück Richtung Parkplatz (am Schindergries). Ein letzter Stopp noch in der Bäckerei Gasser (Tinneplatz 1): Hier holen wir uns noch den vielleicht besten Apfelstrudel im Eisacktal...
Noch ein Kultur-Tipp zum Schluss: Bei unserem Besuch ist es sich nicht mehr ausgegangen, aber beim nächsten Stopp in Klausen möchte ich dafür unbedingt Zeit finden, nämlich für das Stadtmuseum Klausen und den darin befindlichen berühmten Loretoschatz. Im ehemaligen Kapuzinerkloster der Stadt findet man den Loretoschatz, eine umfassende Sammlung von Kunstwerken. Die spanische Königin Maria Anna (1667-1740) hatte das Kapuzinerkloster in Klausen errichten lassen und es mit wertvollen Geschenken ausgestattet – auf Wunsch ihre Beichtvaters Pater Gabriel Pontifeser, einem aus Klausen stammenden Pater, der ab 1692 am spanischen Hof lebte.
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Der guten Ordnung halber erwähnt: Dies ist ein unbeauftragter Blog-Beitrag, die Kosten für diese Reise wurden zur Gänze selbst getragen.
gut schlafen
Eindeutig der Favorit auf meiner Hotel-Wunschliste im Eisacktal: Das historische Berghotel Gasthof Bad Dreikirchen in Barbian, im zauberhaften Sommerfrische-Weiler Bad Dreikirchen. Meine Eindrücke dazu, kann man auch hier nachlesen...
Einst ein mächtiger Südtiroler Ansitz, heute stylisches Boutiquehotel: Das Ansitz Steinbock im historischen Altstadtkern von Villanders.
Hoch oben gelegen, ein geschichtsträchtiges Haus mit außergewöhnlichem Konzept: Viel Natur, wenig Technik (z.B. keine Fernseher), Gemeinschaftsbäder, damit der ursprüngliche Charme der Zimmer erhalten bleibt und viel Ausblick. Und vermutlich noch viel mehr, ich möchte es unbedingt mal ausprobieren in naher Zukunft: Das Hotel Briol in Barbian.
Noch nicht selbst ausprobiert, aber auch auf meiner Wunschliste: Der Ansitz Fonteklaus, mit paradiesischem Ausblick und Naturbadeteich, bei Klausen.
Direkt im Altstadtzentrum von Klausen gelegen, historische Räumlickeiten, modernes Design: Das Hotel Walther von der Vogelweide. Noch nicht selbst ausprobiert, aber auf der Liste.