Es war nur ein kleiner Abstecher, den wir vom Ritten nach Eppan an
der Weinstraße gemacht haben: An die zwei idyllisch gelegenen Montiggler Seen, zur kulturhistorisch
beeindruckenden Burg Hocheppan und ins hübsche St. Pauls. Aber das, was wir an nur zwei Tagen gesehen
haben, hat jedenfalls Lust auf mehr gemacht…
Weinhänge ohne Ende, jede Menge (und angeblich an die 180) Burgen, Schlösser und Ansitze, eine liebliche, hügelige, sanfte Landschaft und mildes Klima: So könnte man die Region Eppan in aller Kürze zusammenfassen. Der Hauptort St. Michael und die Dörfer St. Pauls, Missian, Girlan, Frangart, Gaid, Perdonig, Unterrain und Montiggl gehören zur Großgemeinde Eppan, die südwestlich von Bozen liegt, gleichsam auf einer hügeligen grünen Terrasse oberhalb des Etschtals.
Man kann es wirklich nicht übersehen, sobald wir uns dann Eppan nähern: Hier gibt Wein den Ton an. Dieses Gebiet ist der Mittelpunkt des größten Weinbaugebietes in Südtirol, ein Abschnitt der Weinstraße führt durch die Gemeinde. Aber auch Obst wächst hier, dank des günstigen und milden Klimas, besonders gut.
Ein Natur- und Seenparadies: Die MONTIGGLER SEEN
Die Hitze, die sich Ende Juni dann doch breit macht, sogar am Ritten, treibt uns in südwestliche Richtung: an die Montiggler Seen. Hier erhoffen wir Abkühlung und einen entspannten Tag an einem der beiden Seen, denn es gibt gleich zwei von ihnen, den Kleinen Montiggler und den Großen Montiggler See. Während mein Mann der Hitze auf dem Rad trotzt und die bewaldete Umgebung der Seen erkundet, finde ich die ersehnte Abkühlung im Lido am Großen Montiggler See, das mitten im Naturschutzgebiet Montiggler Wald – Mitterberg liegt. Hier gibt es sogar (beheizte) Schwimmbecken, ein großes für die Großen sowie ein Kinder- und ein Babybecken für die Kleinen. Ich brauche kein Schwimmbad, wenn es einen Natursee gibt, und bin völlig zufrieden mit meinem Plätzchen auf der Wiese direkt am Seeufer, von wo es nur ein paar Meter in den mit 24 Grad mehr als angenehmen See sind. Untertauchen, rausschwimmen, sich treiben lassen im glasklaren Seewasser. Herrlich.
Genauso hatte ich mir das vorgestellt – und auch mein Mann, der mit einigen Kilometern in den Radlerwaden schließlich auch hier landet. Im Gegensatz zu mir hat er den Kleinen Montiggler See dabei kennengelernt und beide Seen auch von oben betrachtet: Ziemlich malerisch liegen der Große und der Kleine da nebeneinander, sagt er.
Das Lido am Großen Montiggler See bietet übrigens alles, was man sich von einem solchen erwartet: SUP- und Tretbootverleih sowie ein Lido-Restaurant und Poolbar, und on top die (angeblich) längste Wasserrutsche Südtirols.
Wer mit dem Auto kommt, kann auf dem relativ großen gebührenpflichtigen Parkplatz vor dem Lido parken, allzu spät sollte man dennoch nicht dran sein, da die Parkplätze begehrt sind. Wer auf Parkplatz I keinen Platz findet, der wird vielleicht auf dem etwas weiter vom See entfernten, ebenfalls gebührenpflichtigen Parkplatz II oberhalb der Montiggler Seen fündig. In den Sommermonaten hält hier praktischerweise auch der Eppaner See- und Wanderbus.
BURG HOCHEPPAN: "Die sixtinische Kapelle" der Alpen
Wenn ich das gewusst hätte, schnaufe ich, dann… ja, was dann eigentlich? Dann wäre ich vielleicht ein bisschen früher aufgebrochen oder hätte das Frühstück etwas weniger üppig ausfallen lassen. Aber so kämpfe ich mich nun hinauf Richtung Burg Hocheppan, über den recht steilen Weg durch den Wald, in dem an diesem Juni-Tag geradezu tropische Zustände herrschen: Heiß und irre schwül ist es, eine besonders hohe Luftfeuchtigkeit lässt grüßen und die Kleidung klebt an uns. Na herrlich. Hoffentlich zahlt sich das aus, grummle ich ein bisschen grantelnd vor mich hin. Unglaublich wie lange sich 45 Minuten steil bergauf anfühlen können. Na ja, was eine anständige und uneinnehmbare Burg sein will, muss halt hoch oben am Berg thronen. Und außerdem gehört Hocheppan zum Typus der Höhenburgen, sagt mein Mann. Hast du noch mehr solche Weisheiten auf Lager, knurre ich ihn an. Dann legt er an Tempo zu und ich bleibe ein wenig zurück, vermutlich besser für den Ehefrieden an diesem Tag. Fast ganz oben, werfe ich einen Blick hinunter Richtung Bozen. Na gut, zugegeben, hat sich bereits jetzt gelohnt, die Schwitzerei, für diesen großartigen Ausblick.
Im Burghof von Hocheppan treffen wir dann dann wieder auf einander, ziemlich verschwitzt, wie alle, die sich an diesem Tag heraufmühen, aber auch ziemlich beeindruckt: Was für ein massives Bauwerk, was für eine Lage und welch ein Ausblick von dieser Burganlage aus, die oberhalb von steilen Felswänden über Missian liegt. Von hier aus blickt man auf das gesamte Etschtal, Überetsch und das Bozner Becken. Und warum die Region Eppan an der Weinstraße heißt, wird hier oben auch klar: Weinhänge wohin man blickt. Errichtet wurde die Burg um 1130 und schon bald galt sie als eine der bedeutendsten Wehranlagen Südtirols. Ihre Geschichte war eine bewegte – die Burg wechselte mehrmals die Besitzer, wurde zerstört und wieder aufgebaut. Seit 2016 ist sie im Besitz der Gemeinde Eppan.
Wir haben hier oben, auf 636 Metern über dem Meerespiegel, jedenfalls ein ganz bestimmtes Ziel: die Burgkapelle, die aufgrund ihrer beeindruckenden Fresken auch als die „sixtinische Kapelle der Alpen“ bezeichnet wird und als kunsthistorisches Schatzkästchen gilt. Übertrieben? Nein, keinesfalls, stellen wir fest, als wir die Kapelle im Rahmen einer Führung auf der Burg besichtigen. Bemalt sind die nördliche Außenwand der Kapelle und alle vier Innenwände; wer diese meisterhaften Fresken gefertigt hat, das ist nicht bekannt. Geweiht wurde die Kapelle bereits im Mittelalter (um 1131), ihre Architektur und auch die Malereien sind ausgesprochen gut erhalten, vor allem im Innenraum.
An der Außenfassade über dem Eingang ist ein Kreuzigungsbild zu sehen, teilweise ragt eine Christophorus-Darstellung, die später geschaffen wurde, hinein. Eine Jagdszene nimmt den größten Teil der Wand ein: Ein Jäger mit Horn verfolgt einen Hirsch. Besonders interessant: Diese Darstellung wurde in der Zeit der Gotik übermalt, gezeigt wurde der hl. Georg, der mit seiner Lanze einen Drachen tötet. Aber: Im Zuge einer Restaurierung gelang es die ursprüngliche Malerei wieder herzustellen.
Es sind spannende Geschichten, die uns Gerlinde, die die Führung macht, erzählt: Ganze Bilderzyklen gibt es an den Innenwänden der Kapelle zu sehen. Beispielsweise von der Verkündigung, über die Heimsuchung und die Geburt Christi bis zur Verkündigung an die Hirten (an der südlichen Wand). An der Nordwand sind z.B. die Könige von Herodes sowie, gleich an die drei Meter breit, der Kindermord in Betlehem zu sehen. Wer sich die unteren Bildreihen ansieht, der entdeckt u. a. die Flucht nach Ägypten, die Taufe Christi, die Hochzeit zu Kana, die Dornenkrönung, Kreuzigung und Kreuzabnahme.
Ein wenig Tirol hat sich übrigens auch in die Malereien, die eigentlich starken orientalisch-byzantinischen Einfluss aufweisen, geschlichen: z. B. die berühmte „Knödelesserin“ im Bild der Geburt Christi, angeblich wurde damit erstmals der Tiroler Knödl dokumentiert – so sagen es zumindest Kunsthistoriker:innen. (In den Fotos weiter unten zu sehen, 2. Bildreihe von oben, mittleres Bild.) Was mich besonders fasziniert: Wie unverwandt einen viele der dargestellten Figuren ansehen, wie z. B. die törichten Jungfrauen in den fließenden Gewändern, rechts unter der in der Apsis thronenden Madonna mit dem Christuskind. Sie schauen einen so direkt an, als ob sie zu einem sprechen wollten.
Freigelegt wurden die Fresken, die heute zu den am besten erhaltenen in Südtirol zählen, übrigens erst 1926, bis dahin waren sie über Jahrhunderte hinweg übermalt.
Die eigentliche Attraktion des Dorfes ST. PAULS ist die gotische Pfarrkirche, die auch als "Dom auf dem Lande" bezeichnet wird – und das überrascht uns nicht angesichts der Größe der Kirche. Aber uns gefällt auch der Ort selbst vom ersten Moment an: Zahlreiche historische Bauten und Ansitze mit schönen Fassaden reihen sich im Ortskern aneinander. Verspielte, verwinkelte Erker, schöne Tore, hübsche Gassen, schöne Innenhöfe. Man sollte sich die Zeit nehmen und ein wenig durch das Zentrum schlendern.
Auch die Wirtshaus- bzw. Bar-Kultur scheint hier zu stimmen, denn wir flanieren an zahlreichen gut besuchten Lokalen vorbei, man trifft sich hier offensichtlich am frühen Abend gerne auf ein Gläschen oder auch zwei. Vor allem die Bar am Kirchenplatz, genau gegenüber der Pfarrkirche, ist besonders gut besucht. Der Kirchenwirt, quasi. Apropos, Kirche, deren Zwiebelturm kann man aus vielen Gassen erspähen, kein Wunder, denn schließlich ist er beeindruckend hoch – zwischen 85 und 89 Metern, denn hierzu findet man variierende Angaben.
Genau dorthin zieht es uns nun auch, in den "Dom am Lande": Viele adelige Familien lebten früher in St. Pauls und sie wollten ihre Macht und ihren Reichtum auch zeigen, also investierten sie in "ihre" Kirche, die somit besonders imposant ausfiel. Fast ein Jahrhundert hat es dann übrigens gedauert (1461-1552), bis das Bauwerk fertiggestellt werden konnte, was einen nicht verwundert angesichts der Größe. Und es überrascht somit auch nicht, dass man gotische Elemente genauso wie solche aus der Renaissance und dem Barock findet.
Einflüsse süddeutscher Spätgotik findet man an der imposanten Fassade, wenig überraschend, den sie wurde nach den Plänen eines Augsburger errrichtet. Oberitalienische Einflüsse hingegen kann man am Kreuzrippengewölbe erkennen. Und es gibt noch einiges mehr bemerkenswertes zu sehen in dieser Kirche: z. B. das Chorgestühl als auch die sieben Totenschilde der Familien Firmian und Khuen - für letzteres muss man den Kopf in den Nacken legen und weit hinauf schauen.
Und wer die Größe der Kirche in einem Dorf wie St. Pauls berücksichtigt, den überrascht wohl auch nicht die Tatsache, dass im Kirchenturrm die zweitgrößte und wohl berühmteste Glocke Südtirols, „Anna-Maria“ untergebracht ist. Der Durchmesser beträgt über 1,8 Meter, das Gewicht an die vier Tonnen.
Noch ein kulinarischer Tipp zum Schluss: Ein Besuch der Allegra Weinbar & Restaurant im Ansitz Schreckenstein lohnt sich, hier gibt es mehr Infos dazu.
Der guten Ordnung halber erwähnt: Dies ist ein unbeauftragter, unbezahlter Blog-Beitrag. Die Reise erfolgte auf eigene Kosten.
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gut schlafen
Eppan ist die Region der Schlösser und Ansitze, kein Wunder, dass es in diesen auch zahlreiche schöne Hotels gibt.
Das Schlosshotel Freudenstein in Eppan an der Weinstraße ist jedenfalls schon mal auf meine Wunschliste gewandert:
In Girlan gelegen, bietet vermutlich auch der Ansitz Rungghof eine besonders schöne Möglichkeit Eppan näher kennenzulernen:
Daran vorbei gefahren bin ich jedenfalls schon, am Weg zu den Montiggler Seen – und dachte mir: Na, das ist ja schon mal gut gelegen, wenn man nahe zum See wohnen will. Und damit war es auch schon ein Kandidat für meine Hotel-Wunsch-Liste, das Gartenhotel Moser am Großen Montiggler See.
Und zum Schluss dann noch eine Empfehlung einer Freundin, die im Sommer 2024 eine Tour quer durch Südtirol gemacht und einen Zwischenstopp am Montiggler See eingelegt hat – und zwar im B&B Unterhabsbergerhof am Montiggler See. Definitiv ein Highlight sei das Frühstück gewesen, mit einem außergewöhnlich großen Angebot selbstgemachter, saisonaler Südtiroler Frühstücks-Delikatessen. Ein perfekter Start in den Tag... (Apropos: Das B&B liegt nur 10 Gehminuten entfernt vom Großen Montiggler See, man spart sich also auch die Parkplatzgebühren beim Lido.)