Der frühe Vogel fängt den Wurm. Oder ist ganz einfach nur müde. So wie wir, was uns aber nicht daran hindert,
um 7 Uhr morgens in den Tag zu starten. Denn die Weißkugelhütte im Südtiroler Vinschgau wartet auf uns...
Es stehen noch nicht viele Autos am großen Parkplatz in Melag am Ende des Langtauferer Tals, wo unsere Wanderung startet. Kühl ist es frühmorgens und die Luft ist herrlich frisch. Wir atmen tief durch, schnüren die Bergschuhe nochmal ordentlich nach: los geht`s! Unser heutiges Ziel ist die Weißkugelhütte, auf 2.557m Höhe, mit großartiger Lage vor den Gletscherzungen des Bärenbartferner und des Langtauferer Ferner. Und ich ahne jetzt schon: Unser Ziel ist das frühe Aufstehen absolut wert...
Von Melag folgen wir den Schildern Richtung Melager Alm weiter hinein in ein wunderschönes, breites Tal. Zwischen Sommerwiesen und gemütlich vor sich hin kauenden, liegenden Kühen, am Karlinbach entlang, geht es zur Melager Alm. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass so manche Kuh genauso müde ist wie ich. Oder täusche ich mich da...? Noch sind wir ganz alleine unterwegs und das Tal gehört für diese halbe Stunde, die wir bis zur Melager Alm brauchen, nur uns...
Nach diesem gemütlichen Spaziergang zur Melager Alm (1970m) wird es ernst: Wir überqueren den Karlinbach und folgen dem Weg Nr. 2 Richtung Weißkugelhütte. Zuerst geht es steiler aufsteigend bergauf, dann windet sich der Weg in Serpentinen den Hang hinauf – mit herrlichen Ausblicken auf die mächtigen Gipfel der südlichen Ötztaler Alpen. Ich bleibe immer wieder stehen, um diese Ausblicke zu genießen – und, ganz ehrlich, auch ein wenig zu verschnaufen. Berg, du willst echt erobert sein...
Immer weiter winden sich die Serpentinen hinauf und auch das Panorama wird immer beeindruckender. Bei einem Wegkreuz – auf ca. 2.360m Höhe – legen wir eine Pause ein. Her mit dem Frühstücksbrot, das haben wir uns wirklich redlich verdient. Unglaublich wie ganz besonders gut so ein belegtes Brot hier oben schmeckt. Ab hier sind es nur mehr rund 30 Minuten Gehzeit bis zur Weißkugelhütte. Ich lasse meine Augen über den üppig blühenden Almrausch und den Enzian wandern: Wunderschön ist es hier oben und so ruhig, auch wenn jetzt hinter uns erste weitere Wanderer auftauchen, da haben wir unseren Vorsprung wohl mit der Pause verspielt.
Dann passieren wir den letzten Punkt, wo es laut Hinweisschild noch eine Handyverbindung gibt, ciao Netz, irgendwie werde ich dich nicht mal vermissen. Vorbei geht es am einem idyllisch gelegenen kleinen Bergsee und da, jetzt sehen wir schon die Hütte. Und der Berg stellt sich ein letztes Mal auf, aber wie ein Pferd auch habe ich einen starken Zug zum Ziel, wenn ich es mal ausgemacht habe. Zwei letzte steile Kurven und dann haben wir es geschafft: Vor uns liegt die Weißkugelhütte und das vor einer mehr als beeindruckenden Kulisse, denn gefühlt direkt hinter der Weißkugelhütte erhebt sich die zerklüftete Gletscherzunge des Langtauferner Ferner. Aber bevor wir uns das Panorama näher ansehen, gibt es erstmal eine Nudelsuppe mit Würsteln und etwas zu trinken. Denn mittlerweile ist es auch hier heroben ganz schön warm geworden...
Der Blick auf die Gletscherausläufer ist beeindruckend. Und zugleich ist es erschütternd zu sehen, wie weit sich der Gletscher bereits zurückgezogen hat – mehr als deutlich wird das auf den historischen Fotos, die auf einer Schautafel zu finden sind. Wir haben mit der Weißkugelhütte für heute unser Ziel erreicht. Für andere ist sie nur eine Zwischenstation auf dem Bergsteiger-Weg zu hochalpinen Zielen wie Weißkugel, Langtaufererspitze, Weißseespitze, Schmied oder Bärenbartkogel. Na ja, vielleicht beim nächsten Mal dann...
Für den Abstieg gibt es zwei Varianten: Zuerst geht es am gleichen Weg zurück, bevor dann bei einer Weggabelung rechts der Melager Höhenweg Nr. 3 abzweigt. Nur leicht abfallend geht es hier Richtung Melag, dafür werden dann am letzten Routenabschnitt in steilen Serpentinen noch einmal ordentlich Höhenmeter bergab gemacht. Wir entscheiden uns jedoch für Weg Nr. 2, den wir schon für den Aufstieg gewählt hatten...
...und legen noch einen Stopp auf der Melager Alm-Hütte ein. Zur Belohnung gibt es hier einen saftigen Marillenkuchen, bevor wir uns noch einmal auf den Weg durch das Tal machen, zurück nach Melag.
Weißkugelhütte – die Wanderung auf einen Blick:
Eine wunderschöne Wanderung vor großartigem Panorama: Vom Weiler Melag im Langtauferner Tal geht es zur Melager Alm (ca. 30 Minuten), von dort über den Weg Nr. 2 zur Weißkugelhütte (ca. 1,5-2h Gehzeit), ingesamt werden rund 700 Höhenmeter bewältigt. Der Streckenabschnitt von der Melager Alm zur Weißkugelhütte führt über gut ausgebaute alpine Pfade, gutes Schuhwerk ist dennoch sinnvoll. Die Weißkugelhütte ist von Mitte Juni bis Ende Oktober bewirtschaftet, Übernachtungen sind möglich (E-Mail: weisskugelhütte@gmail.com).
destination
Das Langtauferer Tal (italienisch: Vallelunga) liegt im Nordwesten Südtirols in Italien (im Vinschgau) und ist zur Gänze von Bergen der Ötztaler Alpen umschlossen. Ist der Taleingangsbereich hinter Graun noch eng und tief eingeschnitten, so weitet sich das Tal nach Pedross. Auf breitem Talboden führt es dann leicht ansteigend – zu Fuß – zur Melager Alm. Über dem Talschluss liegt die Weißkugelhütte, dahinter der Langtauferer und der Bärenbartferner.