Dass ausgerechnet schon unten im Tal, am Sellajoch, für mich die erste Hürde bei unserer Wanderung rund um den Südtiroler Langkofel zu bewältigen wäre, damit hatte ich nicht gerechnet. Normalerweise setzt mir der innere Schweinehund erst auf rund 2.200 Höhenmetern und in den letzten Spitzkehren vor dem Gipfel zu...
Aber gut, es gilt mit der Stehgondelbahn auf den Berg zu kommen, nur wie um Himmels willen soll ich in diese Gondel kommen? Denn diese ist so schmal wie eine Sardinendose, vertikal aufgestellt, schaukelt mächtig und muss im Sturm erobert werden, sprich: wenn sie um die Kurve kommt hinterher laufen und dann beherzt hinein springen. Na das kann was werden... Wo ein Wille da ein Weg: Die Gondel kommt, ich laufe hinter her, spriiiing schreit der Göttergatte und ich tue es. Und er hinter mir her, worauf das Ding gleich noch mächtiger schaukelt. Der Liftwart rennt ebenfalls hinter uns her und schmeißt die Tür zu, dass es nur so scheppert. Na hoffentlich ist sie jetzt wirklich zu, denke ich noch und schon geht es hinauf in luftige Höhen. „Non dondolare“ steht da groß auf allen Stützpfeilern, an denen wir vorbei schweben, nicht schaukeln, und ich frage mich wer allen Ernstes darauf Lust haben könnte, so wie das Ding sowieso von selbst schaukelt, wenn es einen Stützpfeiler passiert hat. Und dann sehe ich sie: die Murmeltiere, die sich auf den Schotterhängen unter mir in Position bringen, den Kopf einziehen und plötzlich schrille Pfiffe ausstoßen. Seid ihr süß! Ich könnte glatt noch mal runterfahren und wieder rauf, sogar das mit dem laufen und springen könnte beim zweiten Mal ein Spaß sein...
Aber wir sind schon oben, springen raus aus unserer Sardinendose und machen erst mal die Schotten dicht: Denn es pfeift der Wind und ist ganz schön kalt, nur drei Grad, aber wir sind gut ausgerüstet. Nun stehen wir also neben der Toni Demetz Hütte in der Langkofelscharte in fast 2700 Metern Höhe. Von dort geht es durch das geröllige Langkofelkar mit vielen Schneeflecken, zwischen beeindruckenden und steilen Wänden, bergab zur Langkofelhütte – ein Abstieg, der auf jeden Fall gutes Schuhwerk benötigt (was am Berg ja eigentlich selbstverständlich sein sollte, sich aber anscheinend noch nicht bei allen Wanderern durchgesprochen hat...). Die erste Rast gibt es in der Langkofelhütte, deren Lage in diesem felsigen Kar, umgeben von hohen Felswänden, beeindruckend ist und das Himbeerwasser schmeckt auch. Und ein bisschen Mitleid haben wir jetzt auch für die Turnschuh-Touristen, die sich im Schneckentempo über das Geröllfeld herab quälen...
Aber für uns geht es nun weiter, über den 526er Weg, immer noch leicht bergab, wildromantisch, mit abwechslungsreicher Vegetation. Und schließlich – und das ist ja nur logisch in den Bergen, wie mein Vater in meiner Kindheit immer zu mir sagte – geht´s auch wieder bergauf, zum Ciaulonch-Sattel (2113m). Dann wird es ein bisschen felsig und es geht im Wald entlang der Nordwände des Langkofels. Den – geografisch – tiefsten Punkt der Wanderung erreichen wir dann beim Wasserfall (2025m): Dort machen wir den Rucksack endlich leichter dank einer ordentlichen Jause.
Die Jause legt sich dann auch ein bisschen an, denn es geht wieder bergauf, auch wenn nur leicht, zum Rifugio Comici, wo es zugeht wie in Jesolo – denn vom Sellajoch lässt es sich bequem über einen Höhenweg zu dieser Hütte hinüber spazieren. Wir passieren sie nur und genießen nun den Blick auf die andere Seite des Langkofel-Massivs. Schön bist du, Berg! Nun geht es durch die „steinerne Stadt“ unter den Ostwänden zurück Richtung Sellajoch; weit über 100 größere und kleinere Felsblöcke bilden hier die sogenannte „steinerne Stadt“, sie sind das Ergebnis eines gewaltigen Felssturzes am Fuße des Langkofels. (Übrigens ein beliebtes Gelände für Sportkletterer und Boulderer.)
Und dann haben wir unseren Ausgangspunkt, das Sellajoch, tatsächlich wieder erreicht. Jetzt nichts wie raus aus den Bergschuhen: Da geht`s mir wie beim Skifahren, der schönste Moment eines solchen Tages ist dann, wenn man aus den Schuhen wieder raus kann…
„Il giro del sassolungo“ – Die Wanderung auf einen Blick:
Rund 800 Höhenmeter bergab, ca. 300 Höhenmeter bergauf. Reine Gehzeit ca. 4,5h. Eine landschaftlich beeindruckende Tour mit großartigen Dolomiten-Ausblicken. Nicht besonders anstrengend, aber trittfest und ein wenig geländeerfahren (Abstieg durch die Scharte, tw. durch Schneefirn) sollte man schon sein, Wanderstecken können nicht schaden. Ausgangs- und Endpunkt der Wanderung ist das Sellajoch. (Statt mit der Gondel hinauf zu fahren, kann man auf zu Fuss gehen, zusätzliche Gehzeit ca. 1,25-1,5h.)
destination
Der Südtiroler Langkofel (3.181m/ ital. Sassolungo - "langer Stein") ist der Hauptgipfel der Langkofelgruppe, die in den Grödner Dolomiten liegt. Langer Stein heißt er nicht umsonst, denn er erstreckt sich über einen Kilometer in NW-SO-Richtung und nimmt flächenmäßig in etwa die Hälfte der Langkofelgruppe ein.