Es ist das älteste Stadtviertel Merans: Das Steinach Viertel, dessen Geschichte bis auf das 12. Jahrhundert zurück geht und das eigentlich aus nur drei engen Straßen und ein paar Gassen besteht. Aber: es ist spannend durch diese Gassen zu flanieren, denn ein ein bisschen Mittelalter schimmert hier an vielen Stellen durch und einen Abstecher in diese
pittoresken Gassen sollte man keinesfalls auslassen...
Das Mittelalter ist in diesem Meraner Stadtviertel nicht zu übersehen: Allein das Passeirer Tor, ein gut erhaltenes Stadttor aus dem 13. Jahrhundert, lässt ahnen, wie es hier damals ausgesehen hat. Wie auch die engen Gassen, die an einem heißen Sommertag willkommenen Schatten und angenehme Kühle bieten. Wir starten unseren Rundgang durch das pittoreske Viertel, in dem gerade viele Häuser und Ladenlokale wunderschön saniert werden, am oberen Ende der Laubengänge, gleich hinter der St. Nikolaus Pfarrkirche und vor dem neuen Stadtmuseum von Meran im Palais Mamming. Das übrigens einen Überblick über die Geschichte der Stadt bietet – in alten Gemäuern mit modernem Zubau – und damit unbedingt einen Besuch wert ist. Ganz oben unter dem Dach im dritten Stockwerk wartet das Schaudepot mit vielen außergewöhnlichen und witzigen Exponaten auf die Besucher; ein Abstecher da hinauf zahlt sich aus, denn hier bekommt man einen interessanten Einblick in die Abläufe von Museumsarbeit.
Gleich um`s Eck vom Palais Mamming, in der Passeirergasse, die eine der drei "Hauptstraßen" des Viertels ist, finden wir Street Art. Nicht so überraschend, wenn man weiß, dass das Steinachviertel in den letzten Jahren auch zu einem Künstlerviertel geworden ist. Davon zeugt u.a. der Ost-West-Club, der eine wichtige Anlaufstelle für Kreative ist, darüber hinaus gibt es diesem Viertel Künstlerwohnungen und -werkstätten.
Vorbei an hohen, dicken Mauern und alten Gebäuden mit schön restaurierten Fassaden geht es die Passeirergasse leicht bergauf. Um Meran vor Angreifern zu schützen, ließen die Grafen von Tirol im 14. Jahrhundert eine Mauer errichten. Heute sind leider nur mehr Fragmente davon sowie drei der vier Eingangstore zur Stadt erhalten. So auch das Passeirer Tor am Ende der Passeirergasse, ein schlanker Turm mit einem Spitzbogentor – wie die Mauer ebenfalls im 14. Jahrhundert errichtet. Am Ende der Passeirergasse stösst man auch auf die Santer Klause mit ihren gotischen Fenstern und rot-weißen Fensterläden. Spannend: Hier tagte bis ins hohe Mittelalter das Gericht von Meran.
Noch einmal ein Blick zurück in die Geschichte: Hier, nahe der Stadtmauer, hatte der Burggraf, der Stadtherr und Vertreter des Grafen von Tirol, seinen Wohnsitz. Ein wenig schaurig die Tatsache, dass gleich neben dessen Wohnsitz das Haus des Henkers lag sowie das Frauenhaus, wie Bordelle damals genannt wurden. Die Aufgaben des Henkers waren u.a. die Folterung und die Führung eines Frauenhauses. Kein Zufall also, dass am Passeier Tor Henkershaus und Frauenhaus gleich nebeneinander standen. Mich schauert es ein wenig bei dieser Vorstellung. Und schnell widme ich mich lieber den aufwändigen, wunderschönen Schnitzarbeiten an Haustüren dieser Gasse...
Wer hierher gekommen ist, der sollte auch gleich einen Abstecher zum oberen Teil der Winterpromenade an der Passer machen: Sie verläuft am nördlichen Ufer der Passer vom Kurhaus im Stadtzentrum bis in die Nähe des Passeirer Tors. Im Winter liegt dieser Teil der Promenade besonders sonnig und windgeschützt und im Sommer sorgt das Rauschen der Passer zumindest gefühlt für ein wenig Abkühlung. Und romantisch ist es hier allemal...
Wir schlendern vom Passeirer Tor hinunter in die Hallergasse. Ein bisschen wirkt das Steinachviertel so, als ob es sich allen Restaurierungsbemühungen entgegen noch immer ein wenig im Dornröschenschlaf befindet. Aber langsam und nachhaltig wird das Viertel wachgeküsst. Hipp und trendy will es gar nicht sein und das ist auch gut so. Das sieht man auch an den Läden und kleinen Galerien, die hier ihre Heimat gefunden haben. So gibt es in der Hallergasse zum Beispiel hinter einem schönen Geschäftsportal die Handdruckerei "Offizin S", die Drucke in geringer Auflage herstellt. In der 1985 gegründeten Werkstatt für Literatur, Typographie und Graphik wird vor allem zeitgenössische Lyrik in deutscher Sprache gedruckt.
Perfekt in diese Umgebung fügt sich auch das Guesthouse „Villa Bergmann“ ein: Mit viel Liebe zum Detail wurde die 1873 errichtete Villa komplett renoviert und hat seit 2015 seine Pforte für Gäste geöffnet. Fünf Suiten mit viel Patina warten hier auf Gäste, die gerne individuell wohnen und die Geschichte eines Hauses spüren – und trotzdem auf modernen Komfort nicht verzichten wollen. Und so findet man in den Ferienwohnungen neben wunderschönen alten Kachelöfen topmodern ausgestattete Kochnischen und elegante, moderne Bäder. (Villa Bergmann, Hallergasse 36, www.villabergmann-meran.it/)
Den Spirit dieses Viertels und seiner Bewohner und Geschäftstreibenden spürt man auch besonders gut im Kunstwerkladen HAUS NR. 13. (Der Laden ist im März 2021 übersiedelt, neue Adresse: Pfarrplatz 9, Meran.) Die beiden Meraner Künstlerinnen Brigitte Dietl und Waltraud Hochgruber haben in ihrem kleinen, sonnenhellen Atelier + Shop in der Hallergasse kreative und außergewöhnliche Produkte zusammengetragen, die unübersehbar die Handschrift ihrer Erzeuger tragen. Qualität vor Quantität lautet das Motto, Massenproduktion hat an diesem Ort keinen Auftritt, sondern ein individueller künstlerischer Zugang und solide Handwerksarbeit – egal ob es um Bilder oder Textilarbeiten, Keramikprodukte wie Vasen oder Schalen, Möbel oder Schmuck geht. Alles hier erzählt eine Geschichte, erzählt uns wiederum Brigitte Dietl. Und dass es nicht einfach war in den letzten Monaten, als das Corona-Virus auch in Meran alles lahmgelegt hat. Umso schöner, sagt Brigitte Dietl, die hier neben den Werken anderer heimischer Künstler auch ihre Bilder ausstellt, dass das Atelier jetzt endlich wieder geöffnet ist. Und dann werfe ich ein Auge auf ein Bild von Waltraud Hochgruber und kann mich nicht mehr trennen davon: in kräftigen Farben leuchtet es mir entgegen und schon wenig später ist es feinsäuberlich in Packpapier verschnürt in meiner Tasche. Und wird mich in meiner Wiener Wohnung an Meran und seine Kreativen im Steinachviertel erinnern. (KUNST WERK LADEN Haus Nr. 13, Pfarrplatz 9, Meran) Weiter durch Meran spazieren kann man übrigens hier...