Den definitiv schönsten Ausblick auf die Altstadt von Krumau hat man vom
Schloss aus – und genau dorthin geht es in Teil 1 der Krumau-Reportage. Nun aber
sind wir mitten drinnen im malerischen Altstadtzentrum...
Wir spazieren von der St. Veit-Kirche hinunter Richtung Horní (der „Oberen Straße“): Dabei lohnt sich ein Stopp und ein ausgiebiger Blick auf das Eckhaus mit dem auffälligen fünfeckigen Erker, das „Kaplanka“ genannt wird. Eigentlich stammt das Haus aus der Spätgotik, aber es ist eines der ersten Häuser, bei dem später Frührenaissance-Elemente ergänzt wurden. So oder so ist es für mich eines der schönsten Häuser der Stadt...
Danach halten wir uns rechts, leicht bergauf und kommen zu einem Gebäude, das dank seiner umfangreichen Sgrafitto- und Wandmalerei sofort auffällt: Einst befand sich darin eines der ersten Jesuitenkolllegs in Böhmen, entworfen von einem italienischen Architekten. (Heute befindet sich in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude ein Hotel.) Genau gegenüber liegt ein Aussichtspunkt, den man sich nicht entgehen lassen sollte: Durch ein Tor betritt man den kleinen Garten mit Aussichtsterrasse, von der man einen großartigen Blick auf den darunter liegenden Teil der Altstadt sowie auf Moldau, Schloss und Burgturm hat.
Bei unserem letzten Krumau-Besuch im Februar 2024 haben wir es endlich geschafft: Nämlich das Museum Fotoatelier Seidel zu besuchen. Es liegt nicht direkt im Altstadt-Zentrum und so kommt man auch nicht unbedingt zufällig daran vorbei. Ein Besuch lohnt sich aber dennoch – und zwar in vielerlei Hinsicht. Denn man bekommt hier nicht nur das Atelier der deutsch-böhmischen Fotografenfamilie Seidel zu sehen, sondern eben auch deren Wohnhaus.
Josef Seidl (1859-1935) und sein Sohn Franz (1908-1997) waren wichtige Bildchronisten des Böhmerwalds: Sie fotografierten Landschaften wie Menschen, einige dieser Aufnahmen sieht man im Museum. Franz Seidel war nach dem 2. Weltkrieg zwar der Vertreibung entgangen, musste aber Anfang der 1950er Jahre sein Atelier schließen. Das erstaunliche daran: Bis zu seinem Tod blieb es nahezu unverändert. Und er konnte auch einiges verstecken und somit vor staatlichem Zugriff schützen, darunter mehr als 100.000 Bildaufnahmen auf Glasnegativen, von denen man auch heute noch beim Besichtigungsrundgang viele am Dachboden des Hauses entdecken kann. Ein Rundgang durch das Haus ist also mehr als lohnenswert: Mit Audioguides geht es von den ehemaligen Verkaufsräumen, die ziemlich beeindruckend rekonstruiert werden konnten (auch dank Zeitzeugen) durch die privaten Räumlichkeiten der Familie Seidel, durch das Labor und hinauf ins Atelier mit großen Glasfronten und in die Dunkelkammer. Hier ist sogar die große Leinwand erhalten geblieben, vor der damals posiert wurde – und auch heute noch, denn hier kann man sich, in Kostümen, auch heute noch fotografisch verewigen lassen.
Neben den interessanten Einblicken in die Fotografie haben mich vor allem die privaten Räumlichkeiten der Familie beeindruckt: Mit ihren wunderschön im Jugendstil bemalten Wänden und Decken und der teils ursprünglichen Einrichtung. Perfekt gewählt für unseren Besuch schien auch dieser Februartag, an dem die Sonne die im hinteren Teil gelegenen Privaträume besonders schön mit Licht bespielte. Die Sonnenstrahlen tanzten geradezu über Böden und Wände…
Fazit: Große Empfehlung!
In unmittelbarer Nähe des Museums Fotoatelier Seidel führt die Dr.-Edvard-Beneš-Brücke hinüber ins Altstadt-Zentrum. Von hier aus hat man einen besonders schönen Blick auf die St. Veits-Kirche sowie auf die Moldau.
Wer genug Zeit mitgebracht hat, kann von hier aus auch durch den hübschen, nahegelegenen Stadtpark spazieren. Ebenfalls in kurzer Entfernung zu finden: die Synagoge, 1910 erbaut, die heute auch als Museum zur Geschichte der jüdischen Gemeinde der Stadt fungiert, und auch temporäre Ausstellungen bietet.
Am Weg zum Egon Schiele Art Centrum in der Siroká sollte man auch ein Auge für die schönen Gebäude haben, die diese Straße säumen. Apropos Egon Schiele, der berühmte österreichische Maler des Expressionismus (dessen Mutter aus Krumau stammte), lebte mit seiner Lebensgefährtin Wally Neuzil für einige Monate in Krumau: Die Altstadt wurde dabei zu einem der beliebtesten Motive in seiner Malerei. Es blieb allerdings bei einer recht kurzen Episode: Denn die Krumauer Bevölkerung nahm Anstoß an Schieles Lebensstil und seiner Akt-Malerei und so zogen Schiele und Wally Neuzil nach nur drei Monaten wieder zurück Richtung Wien und schlugen im nahen Neulengbach ihre Zelte auf. Auch wenn man im Egon Schiele Art Centrum einiges über sein Leben und Schaffen erfährt, sollte man nicht enttäuscht sein, dass die permanente Egon-Schiele-Ausstellung im Art Centrum nur einen relativ kleinen Teil ausmacht.
Was man noch gesehen haben sollte in Krumau…
Ein bisschen Zeit sollte man schon mitgebracht haben, um auch ein wenig ohne Ziel und Plan durch die Altstadtgassen zu flanieren. So kommt man z. B. am Ende der Herrengasse (Panská ulice) an einem der schönsten und sicherlich auch prunkvollsten und vor allem einst teuersten Bürgerhäuser Krumaus vorbei, dem sogenannten Welschenhof (Vlašský dvůr) mit seinem auffallenden gotischeen Eingangsportal. Schön ist auch die Abbildung eines Hornbläsers an der Fassade.
Eine Besichtigungspause besonders nett verbringen kann man im Kolektiv cafe bistro & wine bar: In gemütlicher Wohnzimmer-Atmosphäre und bei sehr guten Kuchen, Torten und anderen Kleinigkeiten kann man hier die Menschen beim vorbeiflanieren beobachten und seine Füße mental auf die nächsten zig Besichtigungskilometer vorbereiten… (Kolektiv, Latrán 13). Richtig gut frühstücken soll man hier übrigens auch.
Wer Lust hat auf ein bisschen ungeschöntes Krumau hat und Street Art mag, der macht einen Abstecher in die Hradebni-Gasse hinter dem Egon Schiele Art Centrum. Große Streetart-Kunstwerke erwarten einen hier zwar nicht, aber einmal durchschlendern macht auf jeden Fall Spaß...
Hier geht es zu Teil 1 der Krumau-Reportage. Noch mehr Foto-Impressionen von der Stadt gibt es hier.